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ZWEITER TEIL: ERSTES BUCH
macht der Idealismus nun regelmäßig die Entdeckung, die uns
durch unsere Symbolsprache schon vor die Füße gelegt ist, so
daß wir sie nur aufzuheben brauchen: Gott als Geist ist nie
mand andres als das — Subjekt der Erkenntnis, das »Ich«.
Und nun wird der letzte Sinn des Idealismus klar: die Ver=
nunft hat gesiegt, das Ende läuft in den Anfang zurück, der
höchste Gegenstand des Denkens ist das Denken selbst; es
gibt nichts, was der Vernunft unzugänglich wäre; das Ver
nunftlose selbst ist ihr nur ihre Grenze, kein Jenseits.
Ein Sieg also auf der ganzen Linie, aber ein Sieg um
welchen Preis! Das große Gebäude der Wirklichkeit ist zer
stört; Gott und Mensch sind in den Grenzbegriff eines Subjekts
des Erkennens verflüchtigt; Welt und Mensch andrerseits in
den Grenzbegriff eines schlechthinnigen Objekts dieses Sub
jekts; und die Welt, zu deren Erkenntnis der Idealismus zu
nächst auszog, ist zur reinen Brücke zwischen jenen Grenz
begriffen geworden. Der metalogische Tatsächlichkeits-
charakter der Welt, zu dessen Begründung der Idealismus in
Wettbewerb mit dem Schöpfungsgedanken trat, ist ganz ver
wüstet, und bei dieser Gelegenheit sind auch gleich die dem
Idealismus fremde Tatsächlichkeit Gottes und die ihm gleich
gültige des Selbst mit in den allgemeinen Strudel der Ver
nichtung hineingeworfen.
Ein Chaos, in dem schließlich nur ein fester Punkt noch
ragt, das vom Idealismus an den äußersten Rand der Gegen
ständlichkeit geschobene, nicht selbst von ihm »bearbeitete«
Ding an sich. In der Ahnung einer gemeinsamen Wurzel für
dieses und den menschlichen Charakter, in dieser Ahnung, in
welcher der Idealismus sein eigenes Wesen für einen ahnungs
vollen Augenblick verleugnet, öffnet er allein die Aussicht auf
ein All, wo diese drei Elemente, Welt Mensch Gott, in unge
störter Tatsächlichkeit nebeneinander leben. Er selbst kann
dieses Land, das er an der Grenze seines Daseins erschaut,
nicht betreten. Er hat sich den Eintritt verscherzt durch das
gottungläubige Selbstvertrauen, mit dem er durch den eigenen
Stab des Denkens das lebendige Wasser des Alls aus dem