ZWEITER TEIL: ERSTES BUCH
£2
Ihr Grundbegriff, mit dem sie den Gedanken der Schöpfung
sowohl zu umgehen wie zu ersetzen sucht, ist der Begriff der
Erzeugung. Die Erzeugung soll das Gleiche leisten wie die
Schöpfung; sie soll der plastisch gegenständlichen Welt, wie
sie das Altertum sah. das geben, was ihr fehlt, den festen
Punkt, von wo aus ihre Vielheit sich zur Einheit zusammen
schließt und ordnet. Erst dadurch konnte die Welt nach innen
aus der Ungewißheit des Vielleicht herausgehoben werden,
nach außen die Standfestigkeit des für wirklich Beglaubigten
gewinnen. Sie soll dabei ihren elementaren Charakter, eben
ihre »Bildhaftigkeit«, ihre plastische Geschlossenheit, be
wahren. Der Gedanke der Schöpfung erfüllt diese Bedingung,
weil er den festen Punkt außer ihren Grenzen findet und den
Schöpfer nicht mit der Welt zusammenfließen läßt, überhaupt
keinen Zusammenhang zwischen ihm und der Welt setzt außer
dem, daß der Schöpfer geschaffen hat, die Welt sich als Kre
atur dem Geschaffenwerden entgegendrängt. Es ist die Frage,
wie wohl der Erzeugungsbegriff dieser Aufgabe gerecht wird.
Auch der Erzeugungsgedanke sucht den festen Punkt, den
Erzeuger, außerhalb der zu erzeugenden Welt. Aber er meint,
zwischen dem Einheitspunkt und dem zu Vereinheitlichenden
einen rational faßbaren Zusammenhang erstellen zu müssen
und — zu können. Es soll gewissermaßen so etwas vorliegen
wie Grund und Folge. Es soll zwischen beiden nicht Gleich
heit, aber Vergleichbarkeit obwalten, — Proportionalität.
Zwischen einem Apfel und einer Birne waltet weder Gleich
heit noch Proportionalität, zwischen einem Apfel und drei
Äpfeln besteht zwar ebenfalls keine Gleichung, aber eine Pro
portion. Erzeuger und Erzeugtes rnüssen in einer Beziehung
gleich sein. Eben deshalb empfiehlt sich ja das Bild der Er
zeugung. Der Schöpfer kann zu den Geschöpfen sagen: »wem
dürft ihr mich vergleichen, daß ich gliche?« Erzeuger und
Erzeugtes sind zwar nicht die gleiche Person, aber gleicher
Art, — vergleichbar. Wo aber ist nun ein solcher »Punkt«
außerhalb der Welt, der ihr gegenüber die Rolle des Erzeugers
übernehmen könnte? Das Nächstliegende war natürlich der