SCHÖPFUNG
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Daseins, »solange die Erde steht«, nicht aufhören zu lassen;
sondern Schaffen und Vernichten sind ihr gleichviel; beider
rühmt sie sich im gleichen Atemzug und verlangt von ihren
Gläubigen, in beidem gleich verehrt, nein besser eben doch
nur: in beidem gleich gefürchtet zu werden; während der
Gott der Offenbarung sein künftiges Weltrichtertum nie unmit
telbar seinem Schöpfertum vergleicht, obwohl doch auch jenes
schon nicht Willkür ist; sondern es hängt gleich dem Schöp
fertum selber in dem inneren Zusammenhang der Notwendig
keit, den die Offenbarung geknüpft hat. So entspringt das ein
zelne Tun der Willkür dem einzelnen Moment, in welchem sie
sich selbst als den Inbegriff aller ihrer andern Momente ver
leugnet, während die Tat der wesenhaften Macht in breiter
Notwendigkeit aus dem Wesen heraus* und ins Unendliche
hineingestellt wird. Die Schöpfertat im Islam ist wie alle
Willkürtat unbedingt augenblicks* und nur augenblicks
verhaftet und deshalb in dem soeben klargelegten Sinn für den
Schöpfer Selbstverneinung; die Schöpfertat nach dem Glauben
der Offenbarung setzt wie alle innerlich notwendige Wesens
äußerung ein dauernd Notwendiges aus sich heraus ins Außen
frei, ist also Weltbejahung des Schöpfers. Weltbejahung — die
Schöpfung ist Schöpfung der Welt. Was ists mit der?
W ir hatten die Welt in ihrer Selbstgestaltung begleitet
bis zu dem Punkt, wo sie in sich fertig schien, ganz
durchgestaltete, in sich geisterfüllte Gestalt. Auch für sie ist
dies Ergebnis ein Gipfel, von wo kein Pfad mehr weiterführt,
es sei denn, das Ergebnis werde auch hier zum Anfang. Das
aber bedeutet das Geschaffenwerden. Erst der Gedanke der
Schöpfung reißt die Welt aus ihrer elementaren Abgeschlos
senheit und Unbewegtheit in den Strom des Alls hinein, öffnet
ihre bisher ins Innere gekehrten Augen nach außen, macht ihr
Geheimnis offenbar. Es scheint ja zunächst paradox, ein Ge
schaffensein der Welt noch »nach« ihrem Fertigwerden als
Gestalt zu behaupten. Allermindestens von dem überlieferten
Begriff der Schöpfung »aus Nichts« scheinen wir uns hier hoff-