148
ZWEITER TEIL: ERSTES BUCH
klärte, war die verschlossene Weissagung, die in der wesen
haften Macht des Schöpfers in offenbare Erfüllung ging. Aber
es bleibt in der wunderbaren Macht des Schöpfers erhalten,
daß sie vorgebildet war in der flammenden Willkür, in der
sich der Schöpfer selber lebendig machte. Die Willkür des
verborgenen Qottes liegt auf dem Grunde der in ruhiger
Lebendigkeit sich offenbarenden Schöpfermacht des offen
baren. Gottes Macht äußert sich mit reiner Notwendigkeit,
weil und gerade weil ihr Inneres reine Willkür, bedingungs
lose Freiheit ist. Als »geschaffener«, als in sich eingeschlos=
sener, als »verborgener« Gott könnte er, wenn er — was ja
nicht angeht — als solcher überhaupt aus sich heraustreten
und schaffen könnte, das Schaffen auch bleiben lassen; aber
als »offenbarer« Gott kann er nicht anders als schaffen. So
haben gegen die Behaupter der Willkiirlichkeit der göttlichen
Schöpfertat die recht, die ihr innere, wesenhafte Notwendig
keit zuschrieben; aber denen gegenüber, welche diese in der
Umkehr des Verborgenen in das Offenbare begründete innere
Notwendigkeit zum affektvollen Bedürfnis steigerten und die
Macht in Liebe umdeuteten, waren jene anderen mit der Be
hauptung der göttlichen Willkür auf dem rechten Weg, indem
sie auf den inneren Kern von schrankenloser Freiheit in Gott
wiesen, der freilich, wie er nach außen bricht, seine innere
Schrankenlosigkeit einbüßt und sich als ruhige, mit Notwen
digkeit schaffende allweise Allmacht offenbart.
D ie Weltgeschichte hat eine Probe auf dies Exempel
gemacht: den Islam. Muhamed hat den Gedanken der
Offenbarung vorgefunden und übernommen, wie man ein Vor
gefundenes übernimmt, nämlich ohne es aus seinen Voraus
setzungen zu erzeugen. Der Koran ist ein »Talmud«, dem
keine »Schrift«, ein »Neues« Testament, dem kein »Altes«
zugrunde liegt. Der Islam hat nur die Offenbarung und nicht
die Weissagung. Daher ist das Offenbarungswunder bei ihm
nicht »Zeichen«, keine Offenbarung der in der Schöpfung wirk
samen göttlichen Vorsehung als eines »Heilsplans«, sondern