SCHÖPFUNG
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liehe Notwendigkeit ist, so hat er, der »einsame Weltenmeister«,
in der Schöpfung dem Künstler gleich ein Bedürfnis seiner
Natur befriedigt, einer inneren Last sich entledigt. Ja dies
wird noch weiter gesteigert, indem man, nicht zufrieden mit
dem Begriff der Notwendigkeit, ihm einen Tropfen Leiden
schaft beimischt und die Schöpfung zu einer Tat sehnsüch
tiger Liebe macht. Sehnsüchtiger, nicht — obwohl auch das
eine Verschiebung der Akzente wäre — überquellender. Wenn
nicht um Gottes, dann sicher um der Welt willen sind solche
Formulierungen abzulehnen; denn wie Gott in ihnen seiner
inneren Freiheit beraubt wird, so geht die Welt ihres inneren
Zusammenhangs in sich, ihrer Eigenständigkeit verlustig, die
ihr ja durch den Gedanken der Schöpfung nicht genommen,
sondern im Gegenteil in dem Mückentanz der Möglichkeiten
gerade gesichert werden sollen. Sie würde, derart an Gottes
Bedürfnis gebunden, allen eigenen Sinn, alle innere Eindeutig
keit verlieren, sie würde wie das Werk eines Bekenntnis
dichters ihr Wesen darin haben, weniger »selbständiges
Kunstwerk« als vielmehr Zeugnis des über alle Werke merk
würdigen inneren Lebens des Urhebers zu sein. Und damit
wäre sie nicht Schöpfung, nicht das in der metalogischen Welt
geweissagte eigenwüchsige Gebild.
Hier rettet der Begriff der göttlichen Willkür. Aber wie,
sollen wir diesen Stein, den wir beim Aufbau des Schöpfer
begriffs ausdrücklich verwarfen, jetzt etwa zum Eckstein
machen? Zum Eckstein mit nichten, und auch nicht »machen«,
sondern: als Grundstein — erkennen. Denn zwar nicht in der
Schöpfertat des Schöpfers ist Willkür, nicht in ihr, aber vor
ihr in der Selbstgestaltung Gottes, die seiner Schöpfertat vor
hergeht. Die Macht des Schöpfers ist wesenhafte Eigenschaft,
aber sie nahm ihren Ursprung aus der Willkür, die, nicht
Eigenschaft, sondern Ereignis, unaufhörlich erneuter Flamme
in Gottes Busen vor der Schöpfung loderte. Jenes geheime,
vorschöpferische Sichselbstoffenbaren der göttlichen Freiheit,,
die sich erst im Anprall an das Schicksalsmuß des göttlichen
Wesens aus bedingungsloser Willkür in tatenreiche Macht