ZWEITER TEIL: ERSTES BUCH
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dürfnis. So darf er nicht schaffen müssen; es darf ihm nicht
»einsam« sein, wie Schiller von dem »Weltenmeister« wohl
behauptet; er muß nach dem Wort des Koran »reich sein ohne
alle Welt«. So ist der Gedanke der absoluten Willkürlichkeit
des Schöpfers bei der Schöpfung denn auch gerade in der
arabischen Scholastik, aber auch in älterer christlicher und
jüdischer Theologie vielfach vertreten. Aber er ist durchaus
nicht so unbedenklich, wie seine Vertreter meinen. Droht er
doch, den Gott, den er unbedürftig macht und dessen Schöpfer
tum er nicht in seinem Wesen begründen will, von jeder not
wendigen Verbindung mit der Welt zu lösen; dadurch aber
wird auch das schöpferische Aussichheraustreten Gottes selber
zu einer bloßen ihm unwesentlichen Tatsächlichkeit gemacht
und Gottes Wesen in eine weltfremde, weltüberhobene Höhe
entrückt, — lehren aber so nicht auch die Heiden? Was unter
scheidet dieses Gottes Weltenthobenheit noch von der kühlen
Apathie der epikureischen Götter, die in den »Zwischen
räumen« des Daseins ein von ihm unberührtes, ungerührtes
Leben olympischer Heiterkeit führen? So ist am Ende doch
der echte Gedanke der Offenbarung, des Aussichherausgehens,
Zueinandergehörens und Zueinanderkommens der drei »tat
sächlichen« Elemente des All, Gott Welt Mensch, wirksam in
dem Widerstand gegen die Behauptung der Willkür des
Schöpfers. Und so ist es denn auch gegenüber der arabischen
Scholastik, und zwar in intimster Abweichung gerade in diesem
Punkt, der große jüdische Theoretiker der Offenbarung Mai-
monides gewesen, der in aller Schärfe Gottes Schöpfertum
als seine wesentliche Eigenschaft behauptete und sogar die
ganze Lehre von den göttlichen Wesenseigenschaften in deut
licher methodischer Angleichung an diese Eigenschaft der
schöpferischen Macht entwickelte.
Aber ganz unberechtigt war jene Betonung der Willkür
doch nicht. Das zeigt sich in den späteren Schicksalen des
Gedankens der gottwesentlichen schöpferischen Machttat. Er
steht immer auf der Kippe, in göttliche Bedürftigkeit um
gedeutet zu werden. Weil Gott das Schaffen der Welt wesent-