VOM WUNDER
141
offenkundigen Gesetzen der wirklichen Worte, den Formen
der Grammatik. Denn die Sprache ist wahrhaftig die
Morgengabe des Schöpfers an die Menschheit und doch zu
gleich das gemeinsame Gut der Menschenkinder, an dem jedes
seinen besonderen Anteil hat, und endlich das Siegel der
Menschheit im Menschen. Sie ist ganz von Anfang, der Mensch
wurde zum Menschen, als er sprach; und doch gibt es bis
auf diesen Tag noch keine Sprache der Menschheit, sondern
die wird erst am Ende sein. Die wirkliche Sprache zwischen
Anfang und Ende aber ist allen gemein und doch jedem eine
besondere; sie verbindet und trennt zugleich. So umschließt
die wirkliche Sprache alles, Anfang, Mitte und Ende, den
Anfang als seine sichtbar gegenwärtige Erfüllung: denn die
Sprache, von der wir sagen, daß sie den Menschen zum
Menschen macht, ist heute in ihren zahllosen Gestalten sein
sichtbares Kennzeichen; und das Ende: denn sie wird auch
als einzelne Sprache von heute und selbst als Sprache des
Einzelnen beherrscht von dem Ideal der vollkommenen Ver
ständigung, das wir uns vorstellen unter der Sprache der
Menschheit. So aber gliedern sich die Formen der Gram
matik auch in sich selbst wiederum nach Schöpfung, Offen
barung und Erlösung, nachdem die Sprachformenlehre als
wirkliches Ganzes gegenüber dem Urgedanken der Sprache,
der uns zum methodischen Organon der Schöpfung geworden
war, zum Organon der Offenbarung wurde; die Offenbarung
ist eben, weil sie im Wissen auf die Schöpfung gegründet, im
Wollen auf die Erlösung gerichtet ist, zugleich Offenbarung
der Schöpfung und Erlösung. Und die Sprache als ihr Or
ganon ist zugleich der Faden, an dem sich alles Menschliche
aufreiht, das unter den Wunderschein der Offenbarung und
ihrer allzeit erneuten Gegenwärtigkeit des Erlebens tritt.
Aber hier fühlen wir, daß wir uns, wie wir schon fürch
teten, zu weit vorwagen und, von Unbekanntem sprechend,
uns ins Unverständliche verirren. So brechen wir hier ab.
Der Begriff des Erlebens in seiner unerschöpflichen Jugend
verführt ohnehin auch ein ruhiges Denken leicht zu schwär-