138 ZWEITER TEIL: EINLEITUNG
seine Grundlegung, das Aufzeigen der Vorbedingungen, auf
denen er ruht. Und da die Theologie selbst ihren Inhalt nicht
als Gehalt, sondern als Ereignis — nämlich nicht als Leben,
sondern als Erlebnis — faßt, so sind ihr auch die Vorbedin
gungen nicht begriffliche Elemente, sondern vorhandene Wirk
lichkeit; an Stelle des philosophischen Wahrheitsbegriffs
schiebt sich ihr deswegen der Begriff der Schöpfung. Die
Philosophie enthält also den ganzen Inhalt der Offenbarung,
aber diesen Inhalt nicht als Offenbarung, sondern als Vor
bedingung der Offenbarung, als Vorher der Offenbarung, also
nicht als offenbarten, sondern als geschaffenen Inhalt. In der
Schöpfung ist die Offenbarung in ihrem ganzen Inhalt, gerade
nach dem Glaubensbegriff der jetzigen Epoche also einschließ
lich auch der Erlösung, — »vorgesehen«. Die Philosophie, wie
sie der Theologe treibt, wird zur Weissagung auf die Offen
barung, sozusagen zum »Alten Testament« der Theologie.
Damit aber gewinnt die Offenbarung vor unseren staunenden
Augen wieder echten Wundercharakter, — echten, denn sie
wird ganz und gar zur Erfüllung der in der Schöpfung ge
schehenen Verheißung. Und die Philosophie ist die Sybille,
die das Wunder dadurch, daß sie es voraussagt, zum »Zeichen«
macht, zum Zeichen der göttlichen Vorsehung. Die Aufklä
rung hatte es, als sie an seinem historischen Beweis kritisch
irre geworden war, herabgedrückt zur zwar nicht kosmischen,
aber psychagogischen Magie: das Wunder erschien als gelun
gener Betrug; so hatte sie es seines echten, die Merkmale der
Abkunft vom Glauben an der Stirne tragenden Wesens
beraubt und es verheidnischt; es war nur recht, daß der
Glaube sich der ihm zugemuteten Vaterschaft dieses Wechsel
balgs, den man ihm an Stelle seines liebsten Kindes unter
geschoben hatte, schämte. Heute, wo die Philosophie sich
um ihrer selbst willen herandrängt zur gemeinsamen Arbeit
mit der Theologie, die ihrerseits nach dem Zusammenbruch
der nur ersatzweisen, nämlich nur apologetischen, nicht kon
stitutiven, auctoritas der Geschichte schon nach jener als der
echten, zu ihrer neuen Form passenden auctoritas sehnsüchtig