VOM WUNDER
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Glauben, den er fest auf die neue auctoritas begründet hatte,
nach außen mit einer Schutzmacht, als welche er die Philo
sophie energisch ablehnte; denn eine solche Schutzmacht ist
für ihn die »Obrigkeit«; sie nahm zum Wort und seinen Ver
kündern die gleiche Stellung ein wie die scholastische Philo
sophie zur sichtbaren Kirche. Eine solche Beschützerin nach
außen hatte sich auch die Theologie des neuen Zeitalters
gesetzt, aber das Wichtigere, die Grundlage einer auctoritas,
glaubte sie sich sparen zu können. So schwebte sie in der
Luft; und eigentlich war es das, was sie wollte. Denn eifer
süchtig wachte sie über die reine Gegenwärtigkeit des
Erlebens; vor jeder Berührung mit dem harten, wohlgegrün
deten Erdreich der Wahrheit und gegenständlichen Wirklich
keit mußte sie beschützt werden; der einzige Halt, den sie
etwa suchen durfte, war der an den Sternenhimmel des sitt
lichen Ideals über ihr ausgeworfene Anker der Hoffnung.
Festen Grund unter sich spüren wollte sie nicht. Sie wollte
die Wahrheit verleugnen.
Aber die Wahrheit läßt sich nicht verleugnen, auch nicht
um des Ideals, geschweige denn um des Erlebnisses willen.
Die Wahrheit ist und bleibt der feste Grund, auf dem allein die
Wahrhaftigkeit des Erlebnisses wachsen, die Bewährung des
Ideals geschehen kann. Das Wunder des persönlichen Erleb
nisses der Offenbarung mag sich für den Willen befestigen in
der Gewißheit seiner zukünftigen Bestätigung durch die Er
lösung; das Erkennen will einen anderen Grund sehen, auf
dem jenes Erlebnis, und sogar mitsamt jenem Hoffnungsanker,
den es auswirft, ruht.
Die Philosophie also wird heute von der Theologie herbei
gerufen, um, theologisch gesprochen, eine Brücke zu schlagen
von der Schöpfung zur Offenbarung, eine Brücke, auf der dann
auch die der heutigen Theologie zentral wichtige Verbindung
von Offenbarung und Erlösung geschehen mag. Von der
Theologie aus gesehen, ist also das, was die Philosophie ihr
leisten soll, nicht etwa die Nachkonstruktion des theologischen
Inhalts, sondern seine Vorwegnahme oder vielmehr richtiger