Full text: Der Stern der Erlösung

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ZWEITER TEIL: EINLEITUNG 
Verwechseln angeglichen, so daß also für den Glauben wirk 
lich genau gemäß der neuen Grundeinstellung nur Gegenwart 
und Zukunft existieren. Die historische Theologie hatte der 
»kantianischen« Theologie Ritschls und seiner Schule freies 
Feld geschaffen, die in zweifelloser Weiterbildung des 
Schleiermacherschen Grundgedankens eine völlige Unabhän 
gigkeit des Glaubens vom Wissen behauptet. Denn die Objek 
tivität des Wissens ist es ja letzthin, die sich hinter dem Be 
griff Vergangenheit verbirgt. Die Abfangung und teils Ein 
kapselung teils Neueinkleidung des Vergangenen, die der histo 
rischen Theologie aufgetragen wird, bedeutet also im Grunde 
die Aufrichtung einer chinesischen Mauer gegen das Wissen. 
Dem Wissen selbst mutet die »liberale« Theologie eine Lei 
stung zu, wie sie die orthodoxe nicht von ihm zu verlangen 
wagt: auf »wissenschaftlichem« Wege sollen die Ansprüche 
der Wissenschaft, die schon grundsätzlich abgelehnt sind, auch 
noch in jedem einzelnen Fall abgewiesen werden. Und wahr 
haftig: die historische Theologie leistet, was sie soll. 
Kein Wunder aber auch, daß sie sich mit dieser Leistung 
als Wissenschaft so hoffnungslos kompromittiert hat, daß heute 
niemand mehr Vertrauen zu ihr fassen mag. Das Verfahren 
war denn doch zu durchsichtig. Wenn nicht gleich, so doch 
mit der Zeit, wenn nämlich die Gegenwart selbst der Zeit 
ihren Zoll zahlen mußte und zur Vergangenheit wurde, mußte 
es ja auffallen, daß diese Wandlungen der Gegenwart prompt 
von Wandlungen der im »Spiegel« der Wissenschaft auf 
gefangenen Vergangenheit begleitet wurden. Um die Wende 
des Jahrhunderts zerbrach, in Schweitzers immanenter Kritik 
und in den tollkühnen Hypothesen der Leugner des geschicht 
lichen Jesus einerseits, denen der Panbabylonier andrerseits, 
das Gebäude der historischen Theologie ohne Hoffnung auf 
Wiederaufbau. Weitab von dem Trümmerfeld gilt es nun, 
einen völligen Neubau vorzunehmen. So billig aber,.wie mit 
der historischen Theologie, dürfte es hierbei nicht abgehen. 
Grade wenn man — und das will auch die Gegenwart — die 
Grundstellung, den Primat der Hoffnung oder genauer die
	        
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