Full text: Der Stern der Erlösung

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ZWEITER TEIL: EINLEITUNG 
Zauber wäre, wird im Munde des Propheten zum Zeichen —, 
beweist er das Walten der Vorsehung, das der Magier 
leugnet. Er beweists; denn wie sonst wäre es möglich, das 
Künftige vorherzusehen, wenn es nicht »vorgesehen« wäre? 
Und darum gilt es, das heidnische Wunder zu übertreffen, 
seinen das eigene Machtgebot des Menschen ausführenden 
Zauber durch das Gottes Vorsehung erweisende Zeichen zu 
verdrängen. Darum die Freude am Wunder. Je mehr 
Wunder, je mehr Vorsehung. Und eben die unbegrenzte Vor 
sehung, dies, daß wirklich ohne Gottes Willen kein Haar 
vom Haupte des Menschen fällt, ist der neue Begriff von 
Gott, den die Offenbarung bringt; der Begriff, durch den sein 
Verhältnis zu Welt und Mensch mit einer dem Heidentum 
ganz fremden Eindeutigkeit und Unbedingtheit festgelegt 
wird. Das Wunder erwies zu seiner Zeit grade das, woran 
seine Glaubwürdigkeit heute zu scheitern scheint: die vor 
bestimmte Gesetzmäßigkeit der Welt. 
Der Gedanke der Naturgesetzlichkeit also, soweit er vor 
handen war, vertrug sich mit dem Wunder ausgezeichnet. 
So kommt es, daß auch später, als jener Gedanke seine 
moderne uns geläufige Form der immanenten Gesetzlichkeit 
annahm, von hier aus zunächst keine Erschütterung des 
Wunderglaubens ausging. Im Gegenteil: merkwürdig ernst 
nahm jenes Zeitalter den heute dem allgemeinen Bewußtsein 
von der Naturgesetzlichkeit so gut wie entschwundenen Um 
stand, daß die Naturgesetze nur den inneren Zusammenhang, 
nicht den Inhalt des Geschehens festlegen, daß also damit, 
daß alles natürlich zugeht, noch garnichts darüber gesagt ist, 
was denn nun »natürlich zugehe«. So schien auch da noch 
das Wunder dem unbedingten Gelten des Naturgesetzes mit 
nichten zu widersprechen; es war gewissermaßen von der 
Schöpfung her mit allem andern zugleich angelegt und trat 
dann eines Tages mit naturgesetzlicher Notwendigkeit ans 
Licht. Die Schwierigkeiten mußten also von anderswoher 
kommen. 
Die Skepsis gegen das Wunder bestritt denn auch eigent 
lich in früheren Zeiten nicht wie heute seine allgemeine Mög
	        
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