EINLEITUNG
ÜBER DIE MÖGLICHKEIT
DAS WUNDER ZU ERLEBEN
in theologos!
W ENN wirklich das Wunder des Glaubens liebstes
Kind ist, so hat dieser seine Vaterpflichten, min
destens seit einiger Zeit, arg vernachlässigt.
Mindestens seit hundert Jahren ist das Kind für seine vom
Vater bestellte Pflegerin, die Theologie, nur eine große Ver
legenheit gewesen, der sie sich gar zu gern irgendwie ent
ledigt hätte, wenn nur — ja wenn nur nicht eine gewisse
Rücksicht auf den Vater bei dessen Lebzeiten es verboten
hätte. Aber kommt Zeit, kommt Rat. Der Alte kann nicht
ewig leben. Und alsdann wird die Pflegerin wissen, was sie
mit dem armen Wurm, das aus eigener Kraft weder leben
noch sterben kann, zu tun hat. Die Vorbereitungen hat sie
schon getroffen.
Was ist es denn nun, was seit verhältnismäßig so kurzer
Zeit ein, wenn man alten Nachrichten trauen darf, früher
glückliches Familienleben so zerrüttet hat, daß die Heutigen
sich kaum noch jener erst so kurz vergangenen besseren Zeit
mehr zu erinnern vermögen? Denn so liegt es ja heute, daß
wir kaum noch glauben wollen, daß es einmal eine Zeit gab,
und daß sie noch gar nicht lang verstrichen ist, wo das
Wunder nicht eine Verlegenheit, sondern im Gegenteil der
schlagkräftigste und zuverlässigste Bundesgenosse der Theo
logie war. Was ist # da inzwischen geschehen? Und wie ist
es geschehen?
Merkwürdig genug gleich die erste Wahrnehmung, die sich
uns aufdrängt: der Zeitpunkt jenes Umschwungs, jener Ver
wandlung der bisher festesten Aufnahmestellung in einen
ganz schwachbesetzten, beim ersten Ansturm sofort preis
zugebenden vordersten Graben, dieser Zeitpunkt fällt zu