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wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege und zwick
ten und nagten es, und sie hatte keinen andern Gedanken, als
wie sie die Beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Ihre
rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht und nur ein
Äuge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach: „Eine Kö
nigin zu werden, das Glück hätte mir gebührt!" „Sey nur
still, sagte die Alte und sprach sie zufrieden, wenn's Zeit ist,
will ich schon bei der Hand seyn." Als nun die Zeit heran
gerückt war und die Königin ein schönes Knabchen zur Welt
gebracht hatte, und der König gerade auf der Jagd war, da
nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat Ln
die Stube, wo die Königin lag, und sprach zu der Kranken:
„Kommt, das Bad ist fertig, das soll euch wohlthun und
stärken, geschwind, eh' es kalt wird." Ihre Tochter war auch
bei der Hand und sie trugen die schwache Königin in die Bad-
stube, legten sie hinein, giengen schnell fort und schloffen die
Thüre ab. In der Badstube aber hatten sie ein rechtes Höl
lenfeuer angemacht, daß die schöne junge Königin bald erstik-
ken mußte.
Als das geschehen war, nahm die Alte ihre Tochter und
setzte ihr eine Haube auf, und legte sie ins Bett an der KönL*
§r'n Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen
der Königin, nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wie»
der geben; damit aber der König nichts merken sollte, mußte
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