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mit dem Garten war auch verschwunden» Da war nun das
arme Mädchen allein in dem wilden Wald, und wie es stch
umsah, so stand eine alte Frau neben ihm, die sprach: „ei!
ei! mein Kind, was hast du angefangen? warum hast du die
zwölf weißen Blumen nicht stehen lassen, das waren deine
Brüder, die sind nun auf immer in Raben verwandelt." Das
Mädchen sprach weinend: „ist denn kein Mittel, sie zu erlö
sen?" „Nein, sagte die Alte, es ist keins auf der ganzen
Welt, als eins, das ist aber so schwer, daß du sie damit
nicht befreien wirst, denn du mußt sieben Jahre stumm seyn,
darfst nicht sprechen und nicht lachen, und sprichst du ein einzi»
ges Wort und es fehlt nur eine Stunde an den sieben Iah/
ren, so ist alles umsonst und deine Brüder werden von dem
Wort getödtet."
Da sprach das Mädchen in seinem Herzen: „ich will meine
Brüder gewiß erlösen" und gieng und suchte einen hohen
Baum, setzte sich darauf und spann und sprach nicht und
lachte nicht. Nun trugs sich zu, daß ein König in dem Wald
jagte, der hatte einen großen Windhund, der lief zu dem
Baum, wo das Fräulein drauf saß, sprang herum, schrie und
bellte hinauf. Da kam der König herbei und sah die schöne
Königstochter mit dem goldnen Stern auf der Stirne, und
war so entzückt über ihre Schönheit, daß er hinauf rief, ob
sie seine Gemahlin werden wollte. Sie gab keine Antwort,