Full text: Kinder- und Hausmärchen

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then befahl, bei Leibes- und Lebensstrafe nichts mehr darüber 
zu sprechen. 
Wieder nach einem Jahr gebar die Königin ein schönes 
Töchterlein, da erschien ihr auch wieder Nachts die Jungfrau 
Maria und sprach: „folge mir." Und sie nahm sie bei der 
Hand und führte sie in den Himmel und zeigte ihr da ihre 
beiden ältesten Kinder, die lachten sie an und spielten mit der 
Weltkugel. Und als sich die Königin darüber freuete, sprach 
die Jungfrau Maria: „willst du nun er'ngestehen, daß du die 
verbotene Thür geöffnet hast, so will ich dir deine beiden 
Söhnlein zurück geben." Die Königin antwortete zum drit 
tenmal: „nein, ich habe die verbotene Thüre nicht geöffnet." 
Da ließ sie die Jungfrau wieder zur Erde sinken und nahm 
ihr auch das dritte Kind. 
Am andern Morgen, als es ruchtbar ward, schrieen alle 
Leute laut: „die Königin ist eine Menschenfresserin und muß 
verurtheilt werden!" und der König konnte seine Räthe nicht 
mehr zurückweisen. Es wurde ein Gericht über sie gehalten 
und weil sie nicht antworten und sich nicht vertheidigen konnte, 
ward sie verurtheilt auf dem Scheiterhaufen zu sterben. Das 
Holz wurde zusammengetragen und als sie nun an den Pfahl 
festgebunden war und das Feuer rings umher zu brennen an- 
sieng, da ward ihr Herz von Reue bewegt und siedachte, könnt 
ich vor meinem Tode gestehen, daß ich die Thüre geöffnet habe
	        

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