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war, gab ihr Rad und Haspel, und sprach: „wenn du diese
Nacht durch, bis morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold
versponnen hast/ so mußt du sterben." Darauf ward die Kam
mer verschlossen, und sie blieb allein darin.
Da saß nun die arme Müllerstochter, und wußte um ihr
Leben keinen Rath, denn sie verstand gar nichts davon, wie
das Stroh zu Gold zu spinnen war, und ihre Angst ward
immer größer, daß sie endlich zu weinen ansieng. Da gierig
auf einmal die Thüre auf, und trat ein kleines Männchen
herein und sprach: „guten Abend, Jungfer Müllerin, warm
weint sie so sehr?" „Ach! antwortete das Mädchen, ich
soll Stroh zu Gold spinnen, und verstehe das nicht." Sprach
das Männchen: „was giebst du mir, wenn ich dirs spinne?"
„Mein Halsband," sagte das Mädchen. Das Männchen nahm
das Halsband, setzte sich vor das Rädchen, und schnurr!
schnurr! schnurr! dreimal gezogen, war die Spule voll. Dana
steckte es eine andere auf, und schnurr! schnurr! schnurr!
dreimal gezogen, war auch die zweite voll, und so giengsstrt
bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen, und alle
Spulen voll Gold. Als der König kam und nachsah, da er
staunte er und freute sich, aber sein Herz wurde nur noch
gieriger, und er ließ die Müllerstochter in eine andere Kanu
mer voll Stroh bringen, die noch viel größer war, und befahl
ihr, das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Lebe»