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aufgeschlossen hatte: Da sprach sie noch einmal: „hast du
es gewiß nicht gethan?" „Nein," sagte das Mädchen zum
zweiten Mal. Da erblickte sie den goldnen Finger, womit es
das himmlische Feuer angerührt hatte, und wußte nun gewiß,
daß es schuldig war, und sprach zum drittenmal: „hast du es
nicht gethan?" „Nein" sagte das Mädchen zum drittenmal.
Da sprach die Jungfrau Maria: „du hast mir nicht gehorcht
und hast gelogen, du bist nicht mehr würdig im Himmel zu
seyn."
Da versank das Mädchen in einen tiefen, tiefen Schlaf
und als es erwachte, lag es unten auf der Erde bei einem
hohen Baum, der rings mit dichten Gebüschen umzäunt war,
durch welche es nicht dringen konnte. Der Mund war ihm
auch verschlossen und es konnte kein Wort reden. In dem
Baum war eine Höhle, darin schlief es in der Nacht und darin
saß es bei Regen und Gewitter; Wurzeln und Waldbeeren
waren seine Nahrung, die suchte es sich, so weit es kommen
konnte. Im Herbst sammelte es die Blätter des Baumes und
trug sie in die Höhle, und wenn es dann schneite und fror,
barg es sich darin. Auch verdarben seine Kleider und sielen
ihm ab, da mußte es sich in die Blätter einhüllen. Sobald
dann die Sonne wieder warm schien, gr'eng es heraus und setzte
sich vor den Baum, und seine langen Haare bedeckten es von allen