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kam die Alte und sagte: „Hänsel, streck deine Finger heraus,
daß ich fühle, ob du bald fett genug bist." Hänsel streckte
ihr aber immer ein Knöchlein heraus, da verwunderte sie sich,
daß er gar nicht zunehmen wolle.
Nach vier Wochen sagte sie eines Abends zu Grethel: „sey
flink, geh und trag Wasser herbei, dein Brüderchen mag
nun fett seyn oder nicht, morgen will ich es schlachten und
sieden, ich will derweile den Leig anmachen, daß wir auch
dazu backen können." Da gieng Grethel mit traurigem Her
zen und trug das Wasser, worin Hänsel sollte gesotten wer
den. Früh Morgens mußte Grethel aufstehen, Feuer anma
chen, und den Kessel mit Wasser aufhängen. „Gieb nun
Acht, sagte die Hexe, ich will Feuer in den Backofen machen,
und das Brot hineinschieben? " Grethel stand in der Küche
und weinte blutige Thränen, und dachte, hatten uns lieber die
wilden Thiere im Walde gefressen, so waren wir zusammen
gestorben, und müßten nun nicht das Herzeleid tragen, und
ich müßte nicht selber das Wasser sieden, zu dem Tode mei
nes lieben Bruders: „du lieber Gott, hilf uns armen Kindern
aus der Noth!"
Da rief die Alte: „Grethel, komm gleich hierher zu
dem Backofen," wie Grethel kam, sagte sie: „guck hinein,
ob das Brot schon hübsch braun und gar ist, meine Augen sind
schwach, ich kann nicht so weit sehen, und wenn du auch nicht