© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
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RUODLIEB.
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lieh die, wo irgend etwas entwendet worden, sogleich
den dieb zu erkennen, auf die probe gestellt. Nach
dem mahle werfeu sich ritter und neffe in festlichen an-
zug, wobei dieser des jüngst gewonnenen ringes nicht
vergifst. *\uf fragment XIV, welchem eine mehr oder
minder bedeutende lücke vorangeht, hat endlich nach
förmlicher Zustimmung und in gegenwart aller deshalb
von Rudlieb, zusammen gebetenen beiderseitigen freunde
und verwandten, denen es, wie ihm, darum zu thun
ist, dafs der edle jiingling den armen der schändlichen,
auf unsern fragmenten nirgends näher besprochenen
buhlerin gerissen werde — die feierliche Verlobung des
letztem mit der gevatterin schönem töchterlein statt. Es
werden dabei zwischen braut und bräutigam, der ihr
den trauring am schwerthefte *) darreicht, heitere
scherzreden, von ihrer seite nicht ohne naive spitze,
gewechselt. Nachdem der dichter noch die von Rud
lieb dem pärchen gemachten geschenke aufgezählt,
iiberläfst ers seinem weitern Schicksal — qualiter inter
se concordent, quid mihi curae?
Es scheint, dafs das frühere Verhältnis des jüng-
lings mit der angedeuteten buhlerin, dessen darstellung
leider verloren gegangen ist, sich auf die sechste un
ter den zwölf lehren bezogen habe. Dem gemäfs wäre
nun denn die reihe an der siebenten. Im fragment XV
linden wir nach einer lücke von wenigstens einem
blatte Rudlieb wieder im hause der mutter, die ihm
vorstellt, wie sie nun alt und schwach werde, und wie
sehr sie wünsche, dafs auch er nicht ohne einen er
ben bleibe; dafs er sofort die verwandten und freunde
versammeln und nach ihrem rath sich eine ebenbürtige
*) ‘daz vingerlin an di hilzeif cod. lat. tnonac. 2. fol. 28b
Wackernagels lesebucli I, 128 20 .
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