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RUODLIEB.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
weitern nachbars, der grofse (rex major), sein reich
aber Africa lieifst, durch rath und that, namentlich im
kriege gegen jenen nachbar, die wichtigsten dienste lei
stet. Mit dem eingang des zweiten Fragmentes findet
sich der held als abgesandter des grofsen königs selb-
drilter am hoflager jenes andern, welchen wir als den
kleinen bezeichnen wollen.
Es hatten leute dieses letztem, unter anführung
eines ungenannten grafen (comes), leute des erstem un
vermutet angefallen , theils erschlagen , theils zu gefan
genen gemacht und verbrannt. Hierauf ein krieg oder
doch eine schiacht zwischen den beiden Völkern , nach
welcher jene angreifer samt ihrem Führer, dem gra
fen, ihrerseits als gefangene vor den grofsen könig wa
ren gebracht worden. Statt gleiches mit gleichem zu
vergelten , hatte dieser sie unter seine grofsen und pra-
laten zu sorgfältiger pflege vertheilt, ja sogar den gra
fen in persönliche obhut genommen. Und nun lud er
durch seinen gesandten ihren könig ein, auf demselben
platz, wo die schlackt war geschlagen worden, mit ihm
zusammenzutreten, da sollten sämtliche gefangene zu
rückgegeben, und beide Völker auf ewig miteinander
versöhnt werden. Der dichter hat fast alles in reden
eingekleidet, die der kleine von des grofsen grofsmut gar
sehr gerührte könig an seine versammelten räthe, dann
an des grofsen königs gesandten, und in solche, die der
gesandte theils an jenen, theils nach der lieimkunft be
richt erstattend an seinen eignen könig richtet. Diesem,
der auch wissen will, wie sein abgeordneter am fremden
hofe die zeit sonst zugebracht, erzählt er auf ergetzliclie
weise, wie er mit dem kleinen könig, obschon anfangs
nicht ohne ehrfurchtsvolles sträuben (lorifrangere, zugil-
prechon) schach gespielt und, mit wahrem herzeleid, ihm
und nachher den liofleuten ihr geld abgenommen habe*