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RUODLIEB.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
Unter Docens für die bibliothek selbst ersteigerten pa
pieren lagen auch ein paar bogen, auf welchen er einen
1 heil der mitunter schwer zu lesenden inembranen
abzuschreiben und zu ordnen angefangen. Er scheint
aber dieses Vorhaben bald wieder aufgegeben und, ver
mutlich in der hofnung, noch mehrere stücke und
dadurch deutlichem Zusammenhang zu linden, auf spä
tere zeit verschoben zu haben.
Auch ich konnte nach wiederholter ansiclit dieser
fragmente nicht umhin, des Vorgängers verfahren zu
billigen, und so behielt ich mir eine Wiederaufnahme
der Sache für den Zeitpunkt vor, in welchem nach dem
vorgesteckten gang bibliothekarischer arbeiten eine ge
nauere beschreibung auch der tegernseer handschriften
(über tausend stücke) an die reihe gekommen und vol
lendet sein würde. Nichts scheint da, wo es noch dar
auf ankommt garben zu binden , unverzeihlicher ver
loren, als die zeit, die auf das heraussuchen einzelner
ähren verwendet wird. Dazu kam, dafs ich mich durch
die beschaffenheit dieser fragmente lange zeit für be
rechtigt hielt, in ihnen nicht viel mehr zu sehen, als
das mannigfach corrigierte exercitium eines tegernseei-
schen meisters oder Schülers in der kunst lateinische
verse zu reimen, welcher, bei der kostbarkeit des ma-
terials, jeden streifen benutzt habe, seine augenblick
lichen eingebungen, oft ganz über kreuz und quer,
nieder zu schreiben. Inzwischen ward mir zu nicht
geringer Überraschung im april 1834 durch einen von
Wien über Sanctflorian bei Linz zurückreisenden freund
(hofrath von Martius) vom dortigen cliorherrn und ar-
chivar Jodok Stülz die abschrift eines fragments keines
andern als eben dieses gedichts milgetheilt, welches der
herr canonicus im jalir 1830 auf der zum Umschlag
eines Verzeichnisses mehrerer traditionell dieses Stiftes