Full text: Lateinische Gedichte des X. und XI. J[ahr]h[underts]

W ALTHARIUS. 
109 
Hiermit war Walther zufrieden , gieng hinaus und 
fragte die kloslerleute, ‘ob hier ein pferd wäre, auf 
dem er im nolhfall einen kampf wagen dürfe?’ ‘es 
» sind gute, starke karrngäule da’, antworteten jene. 
schnell liefs er sie vorführen, bestieg einen und spornte 
ihn, hernach einen zweiten, verwarf aber beide und gab 
ihre fehler an. dann erinnerte er sich seines alten ros- 
ses, das er einst mit ins kloster gebracht hatte, und 
fragte, ‘ob es noch am leben wäre?’ ‘ja lierr, es lebt, 
ist aber ganz alt und dient bei den beckern, denen es 
täglich körn zur mülile trägt und wieder holt.’ Wal 
ther sprach: ‘führt es mir vor, damit ich es selber sehe.’ 
Als es herbei gebracht wurde und er darauf gestiegen 
war, rief er aus: ‘o dies ros hat der lehren noch nicht 
vergessen, die ich ihm in meinen jungen jahren gab.’ 
Hierauf beurlaubte er sich von dem abt und den brü- 
dern und eilte, nur zwei oder drei knechte mitneh 
mend, zu den räubern hin, die er freundlich grüfste 
und ermahnte von dem gottes dienern zugefügten un 
recht abzustehn. Sie aber wurden desto zorniger und 
aufgeblasner, und zwangen Walthern das kleid auszu- 
zielien, weiches er trug, geduldig litt er alles, und 
sagte, dafs ihm so befohlen worden sei. Nachdem sie 
ihn entkleidet halten, fiengen sie an auch seine schuhe 
und schienen zu lösen; als sie an die bösen kamen, 
sprach Walther, ‘das sei ihm nicht befohlen.’ sie aber 
versetzten, Svas die mönche befohlen hätten, sei ihnen 
einerlei.’ Walther hingegen sagte , ‘auch mir steht es 
nicht länger an’, und da sie gewalt brauchen wollten, 
machte er unvermerkt seinen Steigbügel los und traf ei 
nen kerl, dafs er für todt nieder sank, ergrif dessen 
waffen und schlug damit rechts und links um sich. 
Dann schaute er, und sah neben sich ein kalb auf dem 
grase weiden, sprang zu, rifs ihm ein Schulterblatt aus
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.