Full text: Lateinische Gedichte des X. und XI. J[ahr]h[underts]

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WALTHARIÜS. 
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dies leben die Verzeihung des liimmels zu erwerben. 
Sogleich suchte er sieb einen schönen stab aus, an des 
sen spitze er mehrere ringe und in jeden ring eine 
schelle heften liefs, nahm pilgertracht und durchwan 
derte fast die ganze weit, er wollte die regel und weise 
aller mönclie genau erforschen und gieng in jedes klo- 
sler. wenn er aber in die kirclie getreten war, pflegte 
er zwei oder dreimal mit seinem stabe hart auf den 
boden zu stofsen , dafs alle schellen erklangen, hieran 
prüfte er die strenge der kloslerzuclit. Als er nun 
auch in das kloster Novalesa gekommen war und da, 
seinem brauche nach, den pilgerstab auf den boden 
sliefs, drehte sich einer der zöglinge (puer alumnus) 
neugierig um nach dem schall, alsbald sprang der Schul 
meister zu und versetzte ihm eine ohrfeige. Da seufzte 
Walther und sprach: ‘nun bin ich schon lange tage 
durch die weit gewandert und habe dergleichen nicht 
gefunden.’ darauf meldete er sich bei dem abt zur 
aufnahme, legte die tracht dieses Ordens an, und wurde 
seinem willen nach zum gartner des klosters bestellt, 
er nahm zwei lange seile und spannte sie durch den 
garten, eins der länge, das andre der quere nach, und 
hieng des sommers alles unkraut darauf, die wurzeln 
gegen die sonne, damit sie dörrten und nicht wieder 
lebendig würden * 
Es war aber in dem kloster ein hölzerner wagen, 
überaus schön gearbeitet, auf welchen man nichts an 
ders legte als eine grofse, oben mit einer hellklingen 
den schelle versehne Stange. zuweilen wurde diese 
aufgesteckt, so dafs sie jedermann schauen und ihren klang 
hören konnte. Alle höfe und dörfer des klosters hat 
ten nun auch ihre wagen , auf denen der mönclie dienst- 
leute körn und wein dem kloster zuführten; jener wa 
gen mit der Stange fuhr dann voraus, und hundert
	        
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