Full text: Lateinische Gedichte des X. und XI. J[ahr]h[underts]

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WALTHARI US. 
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72 
und beschritt das sechste. Zuerst verliefs er selbst die 
umwallung, spähte auf dem engen siege mit hellen 
äugen und horchte mit aufgereckten obren nach schal 
lenden zügeln und hufschlag, alles schwieg, da liefs 
er die vier saumrosse voraus, dann das Weib mit den 
Schreinen folgen, und er beschlofs den zug. Kaum wa 
ren sie tausend schritte, als die zurückschauende jung- 
frau zwei manner von einem liügel rennen sah, und 
vor schrecken erbleichend zur flucht ermahnte. Wal- 
thari sich wendend erkannte die feinde: ‘besser ist es 
zu harren und den streit zu bestehn; du, ergreif den 
zügel des schatztragenden rosses und bleib im nahen 
hain, ich werde sie am abhang des bergs erwarten.’ 
Der könig und sein gefahrle rannten ihn an: 
‘jetzt ist der Schlupfwinkel dir benommen, aus wel 
chem du, wütender feind, einem hunde gleich, belltest; 
nun gilts in ofnern felde zu fechten und zu erproben, 
ob dem anfang der ausgang entspreche, wol weifs ich, 
das glück hast du um lohn gedungen und verachtest 
flucht oder ergebung.’ 
Walthari, taub gegen des künigs worte, wendet 
sich an Hagano und mahnt ihn der alten treue, er be 
schwört ihn bei ihren jugendlichen spielen, bei ihrer 
unbefleckten freundschaft, abzustehn von dem angrif: 
‘dann will ich dich preisen und den schild dir mit ro- 
them golde füllen.’ 
Finster und zornig versetzt Hagano: ‘erst übst du 
gewalt, Walthari, und dann versuchst du Überredung; 
du brachst die treue, sahst du mich nicht zugegen und 
erschlugst mir freunde und verwandte? deinen schätz 
schlag ich aus, von deiner hand fordre ich den tod des 
theuern neffen.’ 
Hagano schwang sich vom rücken des rosses, eben 
so Gunthari; alle standen zu fufs, zwei wider einen.
	        
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