Full text: Lateinische Gedichte des X. und XI. J[ahr]h[underts]

WALTHARI US. 
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könig soll nicht sagen, dafs ich in diebes weise aus 
dem gebiete entwichen sei.’ 
Dornen und gesträuche haut er und verbaut den 
engen pfad. dann mit bitterem seufzen naht er sich 
den leichnamen, fügt jedem rümpf sein liaupt an und 
gegen osten kniend, das baare schwert haltend, betet 
er also: ‘dir, o Schöpfer, ohne dessen willen nichts 
geschieht, danke ich, dafs du mich schirmtest vor den 
geschofsen ungerechter feinde; verleih o gütiger lierr, 
der du die sünde, nicht den sünder vernichten willst, 
dafs ich alle diese *) dereinst in dem himmlischen sitze 
schauen möge/ 
Nach diesem gebet erhob er sich, trieb die sechs 
rosse ein und band sie mit weiden fest, nur sie waren 
übrig, zwei von speeren durchbohrt und drei von Gun- 
tliari weggeführt, dann löste er seine rüstung, sprach 
mit frohen Worten der jungfrau mut ein, genofs speise 
und bereitete sich, auf dem Schilde lagernd, die mat 
ten glieder auszuruhen, beim ersten schlaf solle die 
jungfrau wachen, er, wo mehr gefahr drohe, gegen 
morgen, endlich entschlief er. 
Sie aber, ihm zu haupt sitzend, wachte und hielt 
die schläfrigen äugen offen mit gesang. Der mann brach 
seinen schlaf, stand auf und hiefs die jungfrau schlum 
mern, und am speer gelehnt brachte er die übrige nacht 
zu, bald die rosse umgehend, bald über den wall hin 
lauschend. Als nun der tag dämmerte und thau die 
erde benetzte, gieng der held den erschlagnen walfen 
und kriegschmuck zu rauben, Spangen, gürtel, hei me, 
Schwerter und harnische, das übrige ge wand lassend, 
mit jenen lud er vier rosse, hob aufs fünfte die braut, 
*) hos 1167 geht auf truncos 1157. truncus ist der haupt 
lose leichnam, Virg. Aen. 2, 557. Die schwertentblöfsung bei die 
sem feierlichen hergang bewährt heiduische heldensitte.
	        
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