© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 21
LIEBER WILHELM, als du vorigen winter To
krank warft, inufte ich mir auch denken, daß deine
treuen äugen vielleicht nicht mehr auf diefes buch fallen
würden. Ich laß an deinem tifch, auf deinem ftuhl,
und betrachtete mit unbefchreiblicher wehmuth, wie
Tauber und ordentlich du die erften bände meines buchs
gelefen und ausgezogen hatteft; mir war als wenn ich
es nur für dich gel'chrieben hätte und es, wenn du
mir genommen würdeft, gar nicht mehr möchte fertig
fchreiben. Gottes gnade hat gewaltet und dich uns ge
laßen, darum von rechtswegeil gehört dir auch das buch.
Zwar heißt es, einige bücher würden für die nach weit
gefchrieben, aber viel wahrer ift doch noch, daß ein
jedes auch auf den engen kreiß unterer gegen wart ein-
gefchränkt, Tein innigftes verftändnis durch ihn bedingt
ift und nachher wieder verfchloßen bleibt. Wenigltens
wenn du mich liefert, der du meine ganze art genau
kennft, was Tie gutes haben mag, und was ihr gebricht;
To ift mir das lieber, als wenn mich hundert andere
lefen, die mich hie und da nicht verliehen oder denen
meine arbeit an vielen ftellen gleichgültig ift. Du aber
halt nicht nur der lache, fondern auch meinetwegen für
mich die gleichmäßigfte unwandelbarile tlieilnahme. Sei
alfo brüderlich mit allem zufrieden!