708
III. negation.
NEUNTES CAPITEL.
NEGATION.
Allgemein betrachtet ift in jedem gegenfatz eine ne
gation des fatzes enthalten, z. b. in den begriffen gut
und übel, jung und alt, breit und fchmal, lieb und leid,
tag und nacht, berg und thal, liebe und haß* Zuwei
len kann daher wirklich eine negative form diefen
gegenfatz ausdrücken, z. b. nicht gut für übel, unlieb
für leid getagt werden. Allein man darf dann auch
den gegenfatz als fatz, folglich gut, lieb und tag als
die Verneinung von übel, leid, nacht anfehen, und fie
wiederum durch nicht übel, unleid, nicht tag bezeichnen.
Im grund aber fagt der gegenfatz etwas fchärferes
aus als der bloß verneinende fatz; unlieb ift weniger
als leid und nacht mehr als nichttagfein, weil zwilchen
lieb und leid noch die empfindung des gleichgültigen,
zwifchen tag und nacht noch das dafein der damrnerung
liegt, und diefe mittelzuftände durch den begrif des
gegenfatzes, nicht durch den der Verneinung ausge-
fchloßen werden. Wenn zwar jeder gegenfatz eine
negation enthält, fo enthält doch nicht jede negation
einen gegenfatz.
Das wefen der eigentlichen negation befteht alfo in
der logifchen leugnung eines fatzes. Durch den ausdruck
nicht berg, nicht gut wird die polition berg, gut auf
gehoben, aber unbeftimmt gelaßen, ob der gegenfatz
thal und übel, oder der zwifchenbegrif ebene und mit
telmäßig ftattfinden foll.
Womit gibt nun der fprachgeift die negation kund?
Jener gegenfatz hatte völlig gleiches recht mit dem
fatz, ja man kann, wie vorhin gefagt worden ift, beide
umkehren; es war daher natürlich, daß auch der gegen
fatz durch ein befonderes wort ausgedrückt wurde.
Bei der eigentlichen negation verhält es lieh anders;
hier ftehen polition und negation einander nicht coordi-
niert, fondern letztere ift erfterer fubordiniert. Polition
macht die überwiegende regel, negation die ausnahme.