III. genus. grammatifches.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 21
und der fliege ein beftiinintes gefchlecht gegeben, wie
lie es dem afch und der buche zugetheilt hat. Noch
mehr, lie hat das nämliche nicht bloß bei allen lebenden,
werdenden und wachlenden wefen gethan, fondern
auch bei todten, unfinnlichen gegenfländenj bei den ab-
ftracteften, ^überfinnlichften begriffen. Der arm (lacertus)
ift uns männlich, die zunge weiblich, das herz neutral;
der finn männlich, die feele weiblich, das wort neutral;
der wind männlich, die erde weiblich, das waßer neu
tral. Woher diele kühne anwendung eines in der ge-
fchaffnen natur offen und geheim waltenden unterteilieds
auf andere dinge und vorftellungen ? Es muß ein tiefes
bedürfnis da gewefen fein, weil wir die anwendung
auf alle nomina der meiden und edelften fprachen, je
früher, deito fefter und regelmäßiger, gemacht fehen, und
weil in .den hauptzügen folcher pofitiven gefchleclits-
vertheilung urverwandte fprachen augenfcheinlich zu-
fammenftimmen.
Ein geiftreicher fchriflfteller hat den grund diefer
erfcheinung vortrefflich aus dem einbildungsvermögen
der fprache erklärt *). Es ift von ihm anerkannt und
beitätigt worden, daß in den fprachen zwei richtungen
vorherichen, die verftändige, auf reine fchärfe der
ideen gehende, und die finnliche zu einer anfchaulichen
Verbindung des gedankens mit der Wirklichkeit geneigte.
Von diefer finnlichen fülle und belebtlieit laufen die
fprachen, welche ich als der deutfehen urverwandt be
trachte, fämmtlich aus, fuchen fich aber in ihrer fort-
fchreitenden bildung auch jenem geiftigen und logifchen
princip
zuzuwenden. Das gefchlecht der Wörter hat
keine nothwendigkeit an fich und einige fprachen mögen
feiner ganz entrathen; denen aber, die es von anfang
an durchdringt, ift es zur ordnenden und verfchönernden
regel geworden, ohne welche die glückliche mannigfal-
tigkeit
ihrer declination
unmöglich
gewefen wäre.
Beide, llexion und genus bedingen einander und mit dem
untergärig der flexions- und ablei(ungsfilben mindert fich
zugleich das gefühl für den gefclilechtsunterfchied; wie
wir in der reihe deutfclier fprachen zumal an der eng-
litchen fehen, welche gewilfermaßen die geiftigfte, for
mell aber auch die am wenigften poelifche ilt.
G. de Humboldt für la natüre des formes grammaticales
et für le gerne de la hmgue chiuoile. Paris 1£27* P* 12* 13.