der Krieg ja überhaupt nur Entschlüsse hervorbringt, die aus
der augenblicklichen Lage geboren werden.
In diesen Tagen der Rückzüge auf die Maas=Stellungen
war ich mit meinem Auto ununterbrochen Tag und Nacht
unterwegs; die wechselnden Bilder der Rückzüge flogen an den
Augen vorüber; im Wirbel der Bewegung haften im Ge=
dächtnis keine Einzelbilder, es bleibt nur der unendliche Strom
der Geschehnisse. Verschiedentlich entführte mich mein Auto
weit ins Hinterland, wo ich Munitionsdepots zu erkunden
und einzurichten hatte, auch Magazine und Proviantämter mußten
neu vorgesehen werden, um die Vorräte der Front aufzunehmen.
In den früheren Jahren des Stellungskrieges war das
gesamte Hinterland durch Armierungsbataillone und Gefangene
mit einem Netze von neuen Gräben und Stellungssystemen
durchzogen worden, die im Falle feindlicher Durchbrüche den
rückflutenden Truppen den ersten Hält gewähren sollten. So
waren auch im Bereiche der Maas weitgreifende Abwehr=
Stellungen geplant, die angeblich fertiggestellt waren; ihnen
galt jetzt die Sorge der Heeresleitung. Eines Tages erhielt
ich den Befehl, einen bestimmten Abschnitt der Maas=Stel=
lungen zu überprüfen, ob sie für die Aufnahme der Truppen
geeignet seien. Neben infanteristischen Gesichtspunkten waren
vor allem artilleristische Fragen zu berücksichtigen, Feuer=
stellungen von Batterien, Beobachtungen und Munitionslager=
stätten. In die Karten waren die Aufnahmestellungen in
allen möglichen bunten Farben eingetragen. Als ich die Be=
sichtigung auf Grund der Unterlagen vornahm, fand ich jedoch
keine Stellungen vor; nur einzelne durch Aushebung der Gras=
narbe markierte, „tracierte” Stellungen waren vorhanden.
Dieser Zustand der Maas=Stellungen erschien mir keines=
wegs bedrohlich, da ich als Frontsoldat den vorherigen Aus=
bau solcher Stellungssysteme zum größten Teil als nutzlos
vergeudete Kraft ansah. Wenn eine zurückgehende oder vor=
dringende Truppe in einem neuen Gefechtsstreifen eingesetzt
wird, wachsen die Stellungen bald aus dem Boden, wie die
Kampflage es befiehlt, der Krieg schafft seine Stellungen
selbst; es ist zwecklos und oft sogar gefährlich, sich auf solche
Einzelheiten festzulegen, durch die hinterher die Entschlüsse
nur gehemmt werden.
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