80 MS: Hass. 202/2 Beilage 2
Rückzugschlachten
an der Westfront (Sommer=Herbst 1918)
und Revolution.
Alle deutschen Worte klingen heute gedämpft,
des Weltkriegs letzte Schlacht ist zuende gekämpft.
Wir sind es gewöhnt, einer gegen drei zu stehn,
aber was hilft Tapferkeit eins gegen zehn!
Ein Mann gegen zehn,
da wird der Schwertarm matt,
o Gott, wenn der eine Mann noch Hunger hat!
"Sieg!" nennens die Feinde, -
wir rechten um Worte nicht, -
unsere Siege trugen immer ein ander Gesicht!"
Börries Freiherr von Münchhausen.
Mitten im Durcheinanderwirbeln der Rückzüge fuhr ich
der Westfront wieder entgegen. Im Ersatzbataillon würde mir
das Kommando über zweihundert Mann übergeben, die als
Ersatz für die Front bestimmt waren. Da heute von offenbar
interessierter Seite so oft behauptet wird, daß diese Trans=
porte im letzten Kriegsjahre niemals vollzählig an Ort und
Stelle angekommen seien, möchte ich hier ausdrücklich be=
tonen, daß von meinen Leuten kein Mann bei der Ueber=
gabe fehlte, ebensowenig gab es unterwegs Schwierigkeiten
irgendwelcher Art; bei meinem Regiment habe ich über=
haupt niemals von solchen Vorkommnissen gehört. Derartige
Gerüchte beruhen wohl in der Hauptsache auf der bös=
willigen Absicht bestimmter Kreise, den inneren Zusammen=
halt des Heeres im Jahre 1918 in Zweifel zu ziehen.
Ebensowenig wie im Ersatzbataillon bemerkte ich an der
Front Anzeichen von beginnender Zersetzung. Da nach neuen
Durchbrüchen des Feindes weitere Frontabschnitte geräumt
werden mußten, trugen die Rückzüge ein Moment der Unruhe
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