Full text: Kinder- und Haus-Märchen (Bd. 2)

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König aber sprach: „nein, shat Gott ihn gegeben, soll er auch 
mein Sohn und Erbe seyn, nach meinem Tod auf dem königlichen 
Thron sitzen und die königliche Krone tragen." Also ward das 
Eselein aufgezogen, nahm zu und die Ohren wuchsen ihm auch 
fein hoch und gerad hinauf. Es war aber sonst fröhlicher Art, 
sprang herum, spielte und hatte besonders seine Lust an der Mu 
sik, so daß es zu einem berühmten Spielmann ging und sprach: 
„lehr mich deine Kunst, daß ich so gut die Laute schlagen kann, 
wie du." „Ach! liebes Herrlein, antwortete der Spielmann, 
das sollt euch schwer fallen, eure Finger sind nicht allerdings da 
zu gemacht, und gar zu groß; ich sorg', die Saiten Haltens nicht 
aus." Es half aber keine Ausrede, das Eselein wollt' und mußt' 
die Laute schlagen, war beharrlich und fleißig, und lernte es am 
Ende so gut, als sein Meister selber. Einmal ging es nachdenk- 
sam fpaziren und kam an einen Brunnen, da schaute es hinein 
und sah im spiegelhellen Wasser seine Eseleins - Gestalt, darüber 
ward es so betrübt, daß es in die Welt hineinging und nur einen 
treuen Gesellen mitnahm. Sie zogen auf und ab, zuletzt kamen 
sie in ein Reich, wo ein alter König herrschte, der nur eine ein 
zige aber wunderschöne Tochter hatte. Das Eselein sagte: „hier 
wollen wir weilen," klopfte an's Thor und rief: „es ist ein 
Gast haußen, macht auf, damit er eingehen kann." Als aber 
nicht aufgethan ward, setzte es sich hin, nahm seine Laute und 
schlug sie mit seinen Fußen aufs lieblichste. Da sperrte der Thür 
hüter gewaltig die Augen auf, lief zum König und sprach: „da 
draußen sitzt ein Eselein vor dem Thor, das schlägt die Laute
	        
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