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schuldigte sich, so gut er konnte, mit der Schwan
gerschaft seiner Frau, und wie gefährlich es sey,
ihr dann etwas abzuschlagen, endlich sprach die
Fee.- „ich will mich zufrieden geben und dir selbst
gestalten Rapunzeln mitzunehmen, so viel du
willst, wofern du mir das Kind geben wirst,
womit deine Frau jetzo geht." Zn der Angst
sagte der Mann alles zu, und als die Frau in
Wochen kam, erschien die Fee sogleich, nannte
das kleine Mädchen Rapunzel und nahm es
mit sich fort.
Dieses Rapunzel wurde das schönste Kind
unter der Sonne, wie es aber zwölf Zahr alt
war, so schloß es die Fee in einen hohen hohen
Thurm, der hatte weder Thür noch Treppe, nur
bloß ganz oben war ein kleines Fensterchen. Wenn
nun die Fee hinein wollte, so stand sie unten
und rief:
„Rapunzel, Rapunzel!
laß mir dein Haar herunter."
Rapunzel hatte aber prächtige Haare, fein wie
gesponnen Gold, und wenn die Fee so rief, so
band sie sie los, wickelte sie oben um einen Fen
sterhaken und dann fielen die Haare zwanzig Ellen
tief hinunter und die Fee stieg daran hinauf.
Eines Tages kam nun ein junger Königs-
sohn durch den Wald, wo der Thurm stand,
sah das schöne Rapunzel oben am Fenster ste
hen und hörte sie mit so süßer Stimme singen.
daß er sich ganz in sie verliebte. Da aber keine
Thüre im Thurm war und keine Leiter so hoch
reichen konnte, so gerieth er in Verzweiflung,
doch ging er alle Tage in den Wald hin, bis
er einstmals die Fee kommen sah, die sprach:
„Rapunzel, Rapunzel!
laß dein Haar herunter."
Darauf sah er wohl, auf welcher Leiter man in
den Thurm kommen konnte. Er hatte sich aber
die Worte wohl gemerkt, die man sprechen muß
te, und des andern Tages, als es dunkel war,
. ging er an den Thurm und sprach hinauf:
Rapunzel, Rapunzel,
laß dein Haar herunter!
da ließ sie die Haare los, und wie sie unten
waren, machte er sich daran fest und wurde hin
aufgezogen.
Rapunzel erschrack nun anfangs, bald aber
gefiel ihr der junge König so gut, daß sie mir
ihm, verabredete, er solle alle Tage kommen und
- hinaufgezogen werden. So lebten sie lustig und
in Freuden eine geraume Zeit, und die Fee kam
nicht dahinter, bis eines Tages das Rapunzel
anfing und zu ihr sagte: „sag' sie mir doch Frau
Gothel, meine Kleiderchen werden mir so eng
und wollen nicht mehr passen." Ach du gottlo
ses Kind, sprach die Fee, was muß ich von dir
hören, und sie merkte gleich, wie sie betrogen
wäre, und war ganz aufgebracht. Da nahm sie