Full text: Kinder- und Haus-Märchen ([1])

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8o, 
Von betn Tod des Hühnchens. 
Auf eine Zeit ging das Hühnchen mit dem 
Hähnchen in den Nußberg, waren da lustig und 
aßen Nüsse zusammen. Einmal aber fand da« 
Hühnchen eine so große Nuß, daß es den Kern 
davon nicht verschlucken konnte, und blieb ihm 
im Hals stecken, so fest, daß ihm Angst ward, 
es müßte ersticken und schrie: „Hähnchen, ich 
bitt dich, lauf, was du kannst und hol mir 
Wasser, sonst ersticke ich." Das Hähnchen 
lief, was es tonnte zum Brunnen, und sprach: 
„Born, du sollst mir Wasser gebei:, das Hühn 
chen liegt auf den Nußberg und will ersticken 
an einem großen Nußkern." Der Brunnen 
antwortete: „lauf erst hin zur Braut und laß 
dir rothe Gelde geben." Das Hähnchen lief 
zur Braut; „Braut, du sollst mir rothe Seide 
geben, rothe Seide will ich dem Brunnen ge 
ben, der Brunnen soll mir Wasser gehen, das 
Wasser will ich dem Hühnchen bringen, das 
liegt auf dem Nußberg und will ersticken an 
einem großen Nußkern." Die Braut antwor 
tete: „lauf erst und hol mir mein Kränzlein, 
das blieb an einer Weide hängen," Da lief 
das Hähnchen zur Weide und zog das Kränz 
lein von dem Ast, und bracht es der Braut 
und die Braut gab ihm rothe Seide dafür, die 
bracht es dem Brunnen, der gab ihm Wasser 
dafür, da bracht das Hähnchen das Wasser zum 
Hühnchen, wie es aber hinkam, da war dieweil 
das Hühnchen erstickt und lag da todt, und 
regte sich nicht. Da war das Hähnchen so 
traurig, daß cs laut schrie, und kamen alle 
Thiere und beklagten das Hühnchen, und sechs 
Mäuse bauten einen kleinen Wage», das Hühn 
chen darin zum Grab zu fahren, und als der 
Wagen fertig war, spannten sie sich davor, das 
Hähnchen aber fuhr. Auf dem Weg aber kam 
Fuchs: „wo willst du hin, Hähnchen?" — 
„Ich will mein Hühnchen begraben." — „Darf 
ich mitfahren?" 
„Ja aber sey dich hinten auf den Wagen, 
„vorne können« meine Pferdchen nicht vertra 
gen." 
Da sehte sich der Fuchs hinten auf, dann der 
Wolf, der Bär, der Hirsch, der Löwe und alle 
Thiere in dem Wald. So ging die Fahrt fort, 
da kamen sie an einen Bach. „Wie sollen wir 
nun hinüber?" sagte das Hähnchen. Da war 
ein Strohhalm, versagte: „ich will mich gueer 
drüber legen, da könnt ihr über mich fahren;" 
wie aber d>e sechs Mäuse darauf waren, rutsch 
te der Strohhalm und fiel ins Wasser, und die 
sechs Mäuse fielen alle hinein und ertranken. 
Die Noth ging von neuem an, da kam eine
	        
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