Full text: Kinder- und Haus-Märchen ([1])

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Liebe, mras es ihr nur an den Augen absehen 
konnte. Sie aßen zusammen, und sie mußte 
ihm aufschöpfen, sonst wollte es nicht essen, da 
ward sie dem Thier hold, und endlich hatte sie 
es recht lieb. Einmal sagte sie zu ihm: „mir 
ist so Angst, ich weiß nicht recht warum, aber 
mir ist, als wär mein Vater krank, oder eine 
von meinen Schwestern, könnte ich sie nur ein 
einzigesmal setzen!^ Da führte sie das Thier 
zu einem Spiegel und sagte: „da schau hin 
ein," und wie sie hineinschaute, war es recht 
als wäre sie zu Hauö; sie sah ihre Stube und 
ihren Vater, der war wirklich krank, aus Her 
zeleid, weil er sich Schuld gab, daß sein lieb 
stes Kind von einem wilden Thier geraubt und 
gar von ihm aufgefressen sey, hätt' er gewußt, 
wie gut cs ihm ging, so hätte er sich nicht be 
trübt; auch ihre zwei Schwestern sah sie am 
Bett sitzen, die weinten. Von dem allen war 
ihr Herz ganz schwer, und sie bat das Thier, 
es sollte sie nur ein paar Tage wieder heim 
gehen lassen. Das Thier wollte lange nicht, end 
lich aber, wie sie so jammerte, hatte es Mit 
leiden mit ihr und sagte: „geh hin zu deinem 
Vater, aber versprich mir, daß du in acht Ta 
gen wieder da seyn willst. Sie versprach es 
ihm, und als sie fort ging, rief es noch: „bleib 
aber ja nicht länger als acht Tage «»6," 
Wie sie heim kam, freute sich ihr Vater, 
daß er sie noch einmal sähe, aber die Krankheit 
und das Leid hatten schon zu sehr an seinem 
Herzen gefressen, daß er nicht wieder gesund 
werden konnte, und nach ein paar Tagen starb 
er. Da konnte sie an nichts anders denken vor 
Traurigkeit, und hernach ward ihr Vater be 
graben, da ging sie mit zur Leiche, und dann 
weinten die Schwestern zusammen und tröste 
ten sich, und als sie endlich wieder an ihr lie 
bes Thier dachte, da waren schon längst die 
acht Tage herum. Da ward ihr recht Angst, 
und es war ihr, als sey das auch krank, und 
sie machte sich gleich auf, nnd ging wieder hin 
zu seinem Schloß. Wie sie aber wieder ankam, 
wars ganz still und traurig darin, die Musi 
kanten spielten nicht, und alles war mit schwar 
zem Flor behängen; der Garten aber war ganz 
Winter und von Schnee bedeckt. Und wie sie 
das Thier selber suchte, war es fort, und sie 
suchte aller Orten, aber sie konnte ee nicht fin 
den. Da war sie doppelt traurig, und wußte 
sich nicht zu trösten, und einmal ging sie so 
traukiss im Garten, und sah einen Haufen Kohl 
häupter, die waren oben schon alt nnd faul, 
da legte sie die herum, und wie sie ein paar 
umgedreht hatte, sah sie ihr liebes Thier, das 
lag darunter und war todt. Geschwind holte 
sie Wasser und begoß es damit unaufhörlich, da 
sprang eö auf und war auf einmal verwandelt,
	        
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