Full text: Kinder- und Haus-Märchen ([1])

. Der RauberbrauLigam. 
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Eine Prinzessin war mit einem Prinzen 
versprochen, der bat sie mehrmals, sie möchte 
ihn doch einmal in seinem Schloß besuchen, 
allein weil der Weg durch einen großen Wald 
führte, so lehnte ^sie es immer ab, aus Furcht 
sich darin zu verirren. Wenn das ihre Sorge 
wäre, sagte der Prinz, so wollte er schon hel 
fen, und an jeden Baum ein Band binden, 
daß sie den Weg gar nicht fehlen könnte; eine 
Zeitlang suchte sie es dennoch aufzuschieben, 
als ob es ihr heimlich gegraut hätte, endlich 
aber gingen ihr alle Ausreden aus, und sie 
mußte sich eines Tags auf die Reise machen. 
Von Morgen bis zu Abend ging sie durch ei 
nen langen, langen Wald, und kam endlich 
vor ein großes Haus, alles war still darin, 
bloß eine alte Frau saß vor der Thüre. „Kann 
sie mir nicht sagen , ob hier der Prinz mein 
Bräutigam wohnt?" — Gut, mein Kind, ant 
wortete die Frau, daß ihr jetzt kommt, da der 
Prinz nicht zu Haus ist; ich habe Wasser müs 
sen tragen in einen großen Kessel, da wollen 
sie euch umbringen, kochen und hernach essen. 
Indem kam der Prinz mit seinen Spitz 
buben vom Raub heim, weil aber die Alte mit 
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der Jugend und Schönheit der Braut Mitleid 
hatte, sagte sie, eh jemand darauf merkte: ge 
schwind hinunter in den Keller, hinter das gro 
ße Faß, da versteckt euch! Kaum war die Prin 
zessin dahinter gewischt, so kommen auch die 
Raubgesellen in den Keller gegangen und führ 
ten eine alte Frau mit sich gefangen, die Prin 
zessin sah wohl, daß es ihre Großmutter war, 
denn aus ihrer Ecke heraus konnte sie alles 
mit anschauen, was da vorging, ohne daß sie 
von einem Auge bemerkt wurde. Die Spitz 
buben nahmen die alte Großmutter, ermorde 
ten sie und zogen ihr alle Ringe von den Fin 
gern, einen nach dem andern ab, nur aber der 
Ring vom Goldfinger, der wollte nicht herun 
ter, da griff einer ein Beil und hieb den Fin 
ger ab, der Finger aber sprang hinters Faß 
und fiel gerade in den Schooß der Prinzessin. 
Nachdem die Spitzbuben lange vergebens um 
den Finger herum gesucht haben, fing endlich 
einer an: habt ihr wohl schon hinterm großen 
Faß gesucht? — Laßt lieber das Suchen bei 
Lichte seyn, sagte ein anderer, morgen früh wol 
len wir suchen, da werden wir den Ring bald 
haben." 
Hierauf legten sich die Spitzbuben in dem 
selben Keller zum Schlaf nieder, und wie sie 
schliefen nnd schnarchten, ging die Braut hin 
term Faß hervor, da lagen sie alle reihenweise. 
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