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der ihn vergangene Nacht gefoltert hatte. Denn es fiel ihm
nicht gleich ein, zu denken, daß ihm gestern über dem Mäd
chen im Fenster, dessen Anblick ihn so sehr bewegte, eine
Einzelheit wie diese recht Wohl hatte entgehen können. Ihm
war zumut, als würde Zauberei mit ihm getrieben. Wie
ein fahles Wetterleuchten huschte die Mahnung des Wirts
durch sein Gehirn: wehe dem, der sich in fremdes Geheim
nis drängt; wer unberufen den Schleier hebt, entbindet Un
heil, ohne ihm wehren zu können; Leben wird zu Stein und
Gold zu Treck in Händen, die fahrlässig nach Verbotenem
greifen , Hatte jener nicht so gesagt — oder waren das
Worte, die eine Stimme des Traums zu ihm gesprochen?
Er wußte es nicht. Aber das fühlte er mit unabweislicher
Gewalt leine Willenskraft umwerben: die Vorstellung, daß
das Wappenkreuz mit dem W nicht zufällig ihm winke von
diesem Haus, dessen Schatten er eben um diese Stunde letzt
malig zu durchqueren dachte. War es nicht wie ein Ruf an
ihn, hier anzuklopfen, wenn er schon einmal auf dem Wege
war, sich einen Arbeitsplatz zu suchen — hier, wo schon sein
Herz, recht seltsam angerührt, in sondrem Takt gegangen
war? Zauberei oder nicht: ein Bursch wie er durfte schon
wagen, an eine Tür zu klopfen, aus welcher er wahrlich
nichts hinaustragen wollte, als was er auf ehrliche Art er
worben oder gewonnen hatte. Das Bewußtsein unbescholte
ner Lebensart machte ihm Mut und stärkte seinen Willen.
So schritt er schnurstracks auf die große Türe zu, hob den
Klopfer und ließ ihn kräftig niederfallen.
Es gab einen lauten, langhinhallenden Klang, welcher
durch viele Räume fortzuschwingen schien. Dann wurde hin
ter einem eisernen Gittergeviert eine Klappe geöffnet, und
es erschien das Gesicht einer Magd, die mit einem Ausdruck
von Verwunderung nach draußen starrte, ohne ein Wort
herauszubringen. Konrad verlangte den Meister zu sprechen,
und nachdem ihn jene noch einmal kurz in lautlosem Stau
nen gemustert hatte, fiel die Klappe wieder zu. Schritte
verklangen im Innern des Hauses.
Der Wandergesell hatte sich an den klobig-breiten, stei
nernen Türrahmen gelehnt und sich's im Warten bequem
gemacht. Er kannte das und nahm es als selbstverständlich
hin. Es gab am Ende nichts Neues in der Welt. So war
er im Zustand einer gewissen taumelsinnigen Geistes
abwesenheit fast geneigt, ein Liedchen vor sich hinzupfeifen,
als er zusammenfuhr unter dem gellen Knirschen eines
Schlüssels, der nun den unteren Teil des Tores öffnete, um
ihn, der sich dabei etwas bücken mußte, herein zu lassen in
einen dämmrigen Flur. Mit dem schnellen Blick, den ihm