EINLEITUNG
von Fragmenten, die auf Einzelsignaturen stehen und natürlich keine alten Ein-
bände tragen. Um so erfreulicher die weitgehend erhaltene Reihe schöner Bunt-
papiereinbände, mit denen vor allem die Manuscripta theatralia in wahrhaft fürst-
licher Weise hervorgehoben sind. Überhaupt besitzt die alte Landesbibliothek
eine stolze Anzahl solcher Codices, namentlich unter den hessischen und den
historischen Handschriften des 17. und 18. Jahrhunderts. Schließlich verdient
noch der Lederschnitt-Einband der wichtigen Johannes-Rothe-Handschrift
(40 Ms. poet. 8) besondere Erwähnung, einer der drei Kasseler gotischen Leder-
schnitt-Bände, von denen übrigens einer, nämlich der Fritzlarer Festkalender
2fMs. hass. 133, bei SCHMIDT-KÜNSEMÜLLER nachzutragen ist.
II
So ist der hier beschriebene Bestand aus vielerlei Gründen nicht als geschlossenes
Corpus zu bezeichnen, aber in seinem allmählichen, oft von Zufällen gelenkten
Entstehen spiegelt sich die Geschichte der Kasseler Handschriftensammlung3.
„Das erste Buch ..., von dem wir für Kassel Kenntnis habenml, der Willehalm-
Codex, ist auch die erste in diesem Katalog beschriebene Handschrift. Landgraf
Heinrich II. ließ sie 1334 vermutlich in Fritzlar für die landgräfliche Familie ab-
schreiben und illustrieren. Die Gründe für diese Aktion kann man nur vermuten
- es haben sicher politisch-propagandistische Erwägungen eine Rolle gespielt.
Aber es gab in dieser Zeit auch weitere literarische Tätigkeit im nordhessischen
Raum: Aus dem Staatsarchiv Marburg erhielt die LB 19235 im Tausch eine Reihe
von Fragmenten aus Pergamenthandschriften mittelhochdeutscher Dichtungen
(20 Ms. poet. et roman. 30140), von denen einige ihrer Mundart nach in Nord-
hessen entstanden sein dürften. Die Vermutung H.Broszinskis6 ist also wohlbe-
gründet, daß es irgendwo im ober- oder niederhessischen Raum ein Zentrum
literarischer Abschreibetätigkeit gegeben haben wird.
Zurück zur Bibliotheks- bzw. Bestandsgeschichte: Der Willehalm-Codex war seit
1334 Bestandteil der landgrätlichen Privatbibliothek. Im 16. Jh. wurde sie ver-
größert, als unter Philipp dem Großmütigen 1527 die hessischen Klöster aufge-
hoben und das Klostergut eingezogen wurde. Unter anderem kam die im 12. Jh.
geschriebene Statius-Handschrift des Klosters Hasungen (2cl Ms. poet. et ro-
Zur Geschichte der Gesamthochschulbibliothek vgl. „Ex Bibliotheca Cassellanall, 400 Jahre Lan-
desbibliothek, Hrsg. H.-J.Kahlfuß Kassel 1980, und: Die Landesbibliothek Kassel 1580-1930,
hrsg. v. W. Hopf, Marburg 1930.
L. DENECKE in „Ex Bibliotheca S. 15.
Zu dieser Austauschaktion vgl. die Akten im StA Marburg unter der Signatur Bestand 156e
Nr. 1540.
Kasseler Handschriftenschätze S.7.
XI