1067
die ewige Vorsehung fest an einander schmiedete.
Was der Mensch im wachenden Zustande gewrnnt,
verliert er oft im Schlafe; bie Vortheile, die er
zu Gunsten seiner körperlichen und geistigen Ge
sundheit am Tage sicherwirbt, büßt er durch manche
verkehrte Lebensregel des Nachts wieder ein. Wir
wollen hier nur eine verkehrte Gewohnheit rügen;
sie betrifft die materielle Einrichtung unsers
Nachtlagers. Die Vortheile die das Seegras
vor allem übrigen üblichen Material zur Füllung
von Betten, Matratzen uud Kopspfühlen gewährt,
sind einleuchtend; sie beruhen hauptsächlich auf fol
genden Momenten. Erstlich: das Seegras gewährt
im Sommer ein kühles, im Winter ein warmes
Lager. Wie beschwerlich das Schlafen auf Federn
und Eldrrdnnen während der heißen Iahrszeit Kin
dern, kränklichen, korpulenten und reitzbaren, zu
hitzigen Rheumatismen und Congestionen geneigten
Personen fällt, weiß ein Jeder, der in eine dieser
Classen gehört und dennoch in der Treibhauswärme
weicher Federbetten seine besten Lebenskräfte ver
schwitzen muß. Zweitens: das Seegras ist wohl
feiler als Pferdehaar und als Federn. Es kann
daher oft, wenigstens jährlich, ohne bedeutenden
Kostenaufwand erneuert werden; etwas, welches
zur Beförderung und Erhaltung von Reinlichkeit
und Gesundheit sehr vieles beiträgt. Drittens:
das Seegras widersteh der Feuchtigkeit, der Nässe
und oer thierischen Auödünsiungsmaterie. Es wi
dersteht mithin auch Viertens: der Einwirkung
eines jeglichen Krankheits- oder Ansteckungsstoffes.
Und diese Eigenschaft würde schon dem Seegras«
vor jedem andern Material den Vorzug einräumen,
auch wenn ihm alle übrigen Vortheile abgingen,
auch wenn es eben so viel oder gar noch weit mehr
kostete, als Pferdehaar oder Federn. Wir wagen
nicht zu viel bei der Behauptung, daß fast alle
Krankheiten mehr oder weniger an -
steckender Natur sind. In der Eigenthüm
lichkeit der Krankheit ist also das Vermögen sich
mitzutheilen, wie in dem belebten Saamenkorn d?e
schlummernde Vegetationskraft, das Vermögen sich
auszubreiten, zu suchen. Es fehlt bei dem Einen
wie vei dem Andern also nur noch an einer ent
wickelnden Potenz, an einer Gelegenheitsursache,
um nnt Gaubius zu sprechen, an Trägern, Leitern
(Conductoren anders gesagt) der für Mittheilung
empfänglichen Krar.kheitsmatcrie. Zu diesen Trä
gern des Ansteckungsstoffes gehören vorzüglich: die
atmvspbänsche Luft, Kleider, Bettzeug und Alles,
was mit dem lebenden thierischen Körper in un
mittelbare Berührung kömmt. Aber die Atmosphäre
ändert und entwischt mit jedem Wrgenblicke die gü
tige Natur; Kleidungsstücke werben drch früh oder
spät unbrauchbar, zerreißen. zu andern Anecken
benutzt; Betten hingegen, Matratzen und Polster
jeglrcher Art, weit weniger noch als Kleidungs-
-ückr, oft gar nicht, oder doch nicht unmittelbar der 7
Einwirkung der freien reinigenden Austenluft aus
gesetzt, seltener als jene benutzt und deshalb auch
weit langsamer abgenutzt, bleiben das Erbtheil
ganzer Generationen; und der in ihnen verborgene,
immer mehr sich entwickelnde, mit andern Schäd
lichkeiten sich vermischende, ein Gift eigener Art
darstellende Krankhertsstoff, pflanzt sich vom Vater
auf den Sohn, auf den Enkel, auf die Nachwelt
fort. Gletchartlge (homogene) Substanzen stehen
mit einander im engen Rapport, die Wechselwir
kung, der gegenseitige Einfluß, welchen sie auf
einander ausüben, erleichtert und befördert die An
ziehungskraft (möchten wir es wohl nennen) thie
rischer Materien. Die eigenthümliche Struktur,
der lockere oder festere Zusammenhang des anzie
henden Körpers bestimmt (modificirt) die stärkere
oder geringere Anziehung, (Affinität, besser gesagt).
So nimmt z. B. Pfervehaar nicht so leicht den
Krankheitöstoff auf als Federn; thierische Wolle ist
der Schwängerung mit thierischer Ansteckungsma
terie weit-mehr unterworfen, als Baumwolle; alle
diese Substanzen jedoch haben bas unter sich gemein,
daß sie, die eine mehr, die andere weniger, die
eine augenblicklich fast, die andere allmählig erst,
den Krankheitsstoff einsaugen, in sich aufbewahren
und ihn unter Begünstigung eines dazu erforder
lichen Wärmegrads, thierischen Körpern wiederum
mittheilen. Anch die reinlichst erhaltenen Betterr
sind nicht vor der Gefahr einer allmähligen Jnfici-
rung, einer nur gar zu erklärbaren Impregnation
mit Krankheits- und krankhafter Auödünstungs-
Materie gesichert. Reinliche Personen find nicht
immer gesund; ein Bett das viele Jahre hindurch
von Mehreren benutzt wird, nimmt natürlicher
weise die während dieses Zeitraums statt gefundene
Schwängerung mit so mancher Scharfe in sich auf.
Fieber aller Art, besonders Faul- und Nervensie-
ber, Schwindsucht, Krebs, Krätze, jegliche Aus
schlagskrankheit, Ruhr , jede epidemisch herrschende
Krankheit entwickelt eine größere oder geringere
Quantität eigenthümlicher (specifischer) Krankheits-
Materie. Der gebundene Ansteckunqsstoff, durch
die Brttwärme und die sich aus dem krankhaft affi-
eirtrn Körper entwickelnde thierische Wärme frei
gemacht, hat keine größere Wahlverwandfchaft,
als eben die thierische Substanz, womit unsere
Betten und Matratzen in der Regel gefüllt sind.
Man kann wohl schwerlich (vorausgesetzt auch, baff
der Gebrauch von Federbetten an sich nicht schwä
chend und ungesund wäre) fordern, daß Jeder säe
sich sein eignes Bett habe und lebenslänglich behalte;
noch übertriebener wäre die an sich gerechte Forde
rung, daß man nach jeder bedeutenden Krankheit
em neues Bett sich anschaffen oder daS alte auf eine
fo kostbare als umständliche, und mit dem allere,
nicht einmal genügende Art reinigen und erneuerte
lassen solle. Es ist in der That uneeklärbar, warum
civilisirte Menschen diesen Punct der Reinlichkeit