Zweite Beilage z u N'. 29
der
Lasselschen Polizei- und Kommerziell - Zeitung.
Einige Freunde und Interessenten des hiesigen
Hoftheaterö können nicht umhin, dem Publikum
eine, in Nr. 75 des Morgenblatts, erschienene
Theaterkritik zu empfehlen. Verfasser jenes Auf
satzes schreibt ein so unmuthiges Deutsch, fallt
so richtige Urtheile, und giebt so gegründete
Nachrichten von dem Zustand der hiesigen Büh
ne, daß Schreiber dieses sich ein Vergnügen
daraus machen werden, diese Kritik, durch ge
hörige Analisirung, in ein noch höheres Licht zu
stellen. Madame Guhr, die uns durch so
große Gesangfertigkeit, schönen gefühlvollen Vor
trag, durch ihre volle hclltönende Stimme, die
sich vorzüglich in den höheren und tiefen Tönen
zu ihrem Vortheil auszeichnet, und durch ihr
durchdachtes Spiel, das in der Schwcizerfamilie,
Entführung, Baum der Diana rc. sich besonders
an den Tag legte, entzückt, wird so lieblos und
so parteylich beurtheilt, daß wir uns genöthigt
sehn, diese mit Recht geschätzte Künstlerin zu
bitten, ja nicht das einseitige Anathema jenes
Skriblers für den Ausspruch des Publikum's,
dem ein Svnnenblick erscheint, so bald es den
Namen der Madame Guhr auf dem Theater
zettel sieht, zuhalten. Quastionirtcr Rezensent
spricht von „ schnellem Rollen der Töne, das
„ oft bis zur Schnörkelei gehe. " Gänzliche
musikalische Unwissenheit spricht sich in diesem
Satze aus; denn schnelles Rollen der Töne kann
wohl in Unverständlichkeit ausarten, aber nur
Coloraturen und Verzierungen in SchnörkeleL.
Die Art, wie von Madame Guhr ferner ge
sprochen wird, nämlich: „ Uebrigens ist diese
„ Prima Donna hübsch " — ist die eines
Handwerköpurschen, und keines gebildeten Man
nes. Diese Floskel verdiente derbe Züchtigung^
Madame und Herr Kiel sollen, nach dieser
Kritik, ,, etwas vom Gesänge verstehn " ! Ist
auch die Stimme der Madame Kiel vielleicht
durch viele Wochenbette geschwächt, so besitzt sie
doch noch eine vorzügliche, seltene Höhe / und
Herr Kiel kann, rücksi'chtlich seiner ausgezeich
net - schönen Methode, den ersten Tenoristen
Deutschlands an die Seite gesetzt werden. Aus
serdem ist er sehr musikalisch und selbst Composi-
teur. Daß von dem eigentlichen Fach der Ma
dame Kiel im Schauspiel, nämlich dem der
Anstandsrvllen, in denen sie so sehr brav ist,
nichts gesagt wird, ist ein Beweis der Malice
des Rezensenten. Lächerlich ist es, daß Herr
Kiek als ausgezeichneter Künstler im — Lust
spiel ( ! ) angepriesen wird, da wohl noch nie
mand vom hiesigen Publikum sich rühmen kann,
diesen geschätzten Sänger im angegebenen Fach
gesehn zu haben. Herr Z sch i sch k a, dem übri
gens doch eine schöne Baßstimme zugestanden
wird, hat, leider, nicht das Glück, dem Ver
fasser, oder, welche Vermuthung beinahe zur
Gewißheit wird, der Verfasserin, durch sein
körperliches Aussetzn zu gefallen. „ Er ist zu
„ alt und häßlich für Liebhaberrollen; " worun
ter denn der verständige Rezensent den Herzoge
in der Camilla und den Notar in der schönen
Müllerin zu rechnen beliebt.. Von dem guten-
Spiel des Herrn Z sch r sch k a, z. B. als. Wasr
serträger, Osnnn rc. ist gar keine Rede. Herr
Rhode, gewiß eines der ausgezeichnetesten,,
vorzüglichsten Mitglieder der Gesellschaft, wird»
kaum berührt. Die so brave Madame Zschisch-
ka, Herr Spahn, der von Tage zu Tage
durch sein richtiges Spiel das Publikum mehr
und mehr für sich einnimmt, Herr Ger lach,,