sichten vor, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließen und zu Beanstandungen nie-
mals Anlaß gaben. Dieser mustergültigen Geschäftsführung ist es auch zu danken, daß
Landgraf Wilhelm, der den wissenschaftlichen Anstalten nicht entfernt das Interesse ent-
gegenbrachte, mit dem sie sein Vater gefördert hatte, schon 1788 nach wiederholten Son-
derbewilligungen jährlich 500 Rthlr. zur Fortführung der Bibliothek bewilligte; dieser
Betrag wurde am 30. Oktober 1801 nochmals um 200 Rthlr. erhöht, sodaß die Bibliothek
über einen durchaus angemessenen Vermehrungsfonds verfügte. Dazu kamen gelegentlich
besondere Einnahmen. So verfügte Landgraf Wilhelm am 24. August 1789, daß die golde-
nen und silbernen Tressen, mit denen zahlreiche, vor allem Gedichte enthaltende Bände
besetzt waren, abgetrennt und zur Münze geliefert wurden _ sie mögen dem sparsamen
Landgrafen unangenehm aufgefallen und anderweitig nützlicher verwendbar erschienen
sein. Er überwies aber den Erlös der Bibliothek als außerordentliche Einnahme -- da sich
diese auf 86 Rthlr. 16 alb. 8 gr. belief, muß die Menge der abgetrennten Tressen recht
erheblich gewesen sein.
Strieder vergaß nicht zu beobachten, welche Auswirkung die Vermehrung des An-
schaffungsfonds auf die Bestände hatte. Wenn es auch noch nicht üblich war, den Zu-
wachs alljährlich festzustellen, so nahm er doch schon im September 1791 - l1f2 Jahr-
zehnte nach der letzten Zählung _ erneut eine Bestandsaufnahme vor, die 37 870 Bände
ergab; die Bibliothek war also in diesen 11l2 Jahrzehnten um ein volles Drittel ihres Be-
standes gewachsen -- das ergibt einen durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 714
Bänden. Verausgabt wurden in diesem Zeitraum für Bücherankauf 8825, also jährlich
rund 588 Rthlr.
S-chon im Jahre 1748 war die Anordnung ergangen und 1767 wiederholt worden,
daß die Professoren in Marburg und Rinteln die von ihnen herausgegebenen Schriften in je
einem Stück an die Fürstl. Bibliothek abliefern sollten. 1770 war diese Anordnung nach dem
Vorgang Preußens auf die Buchhändler und Buchdrucker für alle von ihnen verlegten
oder gedruckten Bücher ausgedehnt worden. Diese Verfügungen waren aber nach und
nach in Vergessenheit geraten, und deshalb veranlaßte Veltheim am 16. Oktober 1792 ihre
Erneuerung - am 13.Mai 1793 wurde dem entsprochen, aber auch diesmal noch kein
endgültiger Erfolg erzielt.
Durch den Reichsdeputations-Hauptschluß waren u. a. die mainzischen Ämter
Amöneb'urg und Fritzlar an Hessen gefallen; die in ihnen belegenen geistlichen Stifter und
Klöster wurden aufgehoben und ihre Bibliotheken nach einer Anordnung des Landgrafen
vom 27. Januar 1804 99) zugunsten der Kasseler Bibliothek eingezogen. Dem wurde wider-
spruchslos Folge geleistet: am 26. März 1804 wurden rund 800 Bände aus dem Johannis-
Stift in Amöneburg über Marburg nach Kassel geschickt. Die Sendung war abgegangen,
ehe Strieder sich über die Durchsicht der eingeschickten Kataloge hatte äußern können,
deren Überprüfung ergeben hatte, daß der größte Teil der an diesen beiden Stellen vor-
handenen Bücher in Kassel bereits vorhanden war, also nur die Zahl der Doppelstücke ver-
mehren würde. Er gab daher anheim, die Kataloge - nachdem er einige Stücke für die
Kasseler Bibliothek entnommen habe _ der Universitäts-Bibliothek in Marburg zur Aus-
wahl vorzulegen. Inzwischen waren nun aber die Amöneburger Bestände von dort abge-
gangen, schieden also für eine mögliche Ablehnung aus und kamen tatsächlich zur Kasseler
Bibliothek. Die Fritzlarer Bibliothek - insgesamt etwa 300 Bände - nach Marburg
verbringen zu lassen, erschien wohl nicht zäwckmäßig; jedenfalls wurde vom Geheimen
Bat am 4. Mai 1804 dahin entschieden: „Ist die Bibliothek den Kloster-Geistlichen zum
Gebrauch zu belassen."
99) A. L.B. Xa. 4.
56