Full text: Die Landesbibliothek Kassel 1580 - 1930

Bildschmuck: 
Außer dem Initialschmuck, der dem beim vorigen Codex charakterisierten ähnlich 
ist, zum Teil völlig gleicht, ist bemerkenswert die große halbseitige Bildinitiale auf B1. 210 F, 
die auf Goldgrund eine sehr realistische beinahe ländlich-bäuerliche Szene entrollt: ein auf 
einen langen Schaft aufgespießter weißer Schafbock ist auf einen runden Tisch gelegt, 
um den acht grobe Männergestalten herumspringen, die nach der Kleidung verschiedene 
Typen des Volkes darstellen und von denen zwei Judenhüte tragen. Mit sichtlich ge- 
äußerter Grausamkeit und Wildheit haben sie den Tod des Tieres herbeigeführt. Wohl 
ein ziemlich rohes Symbol für das unschuldige Sterben des Heilandes. - Das Kanonbild 
auf 81.2091) entspricht in der Komposition dem des vorigen Missale, wenn auch in der 
Auffassung der Gestalten und vor allem in den Gesichtern starke Abweichungen erkenn- 
bar sind. Die Ecken tragen im Kreisrund wieder die Brustbilder der Evangelisten mit 
Nimbus und leerem Spruchband, über dem Kreuz ist das Pelikansymbol angebracht. Links 
und rechts von der schlanken, fast gerade herabhängenden leicht verschleierten Heilands- 
figur Ecclesia und Synagoga, Maria und Johannes. Unter dem Kreuz das Höllentier. Rud. 
Kautzsch wies in seinen abschriftlich aufbewahrten Bemerkungen zu den Kasseler Bilder- 
handschriften auf die schlanken Gestalten und die zarten Farbtöne hin. Er meinte, die 
Miniatur zeige völlig die niederrheinische Weise des ausgehenden 14. Jahrhunderts, wofür 
der Meister Wilhelm von Köln zu vergleichen sei. 
Entstehung, Geschichte, Herkunft: 
Auf B1. 209 P findet sich die aufgeklebte Bitte für Papst und Erzbischof, leider sind 
beide Namen ausradiert; für den Papst wurde Pius eingesetzt. Die vermuteten Namen 
(Calixtus, Theodorieus) geben keine weiteren Aufschlüsse. S0 steht allein die durch das 
Exlibris bestätigte Herkunft aus dem Petersstift in Fritzlar fest. 
5. Fritglarer Missale: 20 Mss. theol. 114. - Tafel z, 
Beschreibung: 
Pergt. Hs. 15. Jahrh. 302 Blätter (bis auf die erste Lage mit 8 sonst Quinternionen, 
am Ende mit Kustoden, zwei angeheftete Blätter, alte Blattzählung von B1. 202 P-275P 
I: I--LXXIIII). Blattgröße: 51 X 36 cm, Schriftspiegel: 39,5 X 10,5 cm (zweispaltig), durch- 
schnittlich 29 Zeilen. Zusätze von späteren Händen an verschiedenen Stellen. B1. 112 P ist 
nach der später beliebten Schreiberart ein Gesicht in die Initiale [Deus] hineingezeichnet. 
An zwei Stellen Neumennotierunlgen. Reicher Initialschmuck. Schrift: Gotische Bücher- 
minuskel des strengen Stiles. 
Text: 
Bl. 31' beginnt das Missale mit dem Kyrie und andern Gesängen. Bl. 4 P bis 9 v Ka- 
lendarium. Bl. 10 1' setzt das proprium de tempore ein, endet Bl. 152 v mit den Praefationen. 
Bl.153v Kanonbild. Bl.154F bis 202P der römische Meßkanon mit den Gebeten u. a. 
Bl. 2021) bis 252" das proprium de sanctis und Bl. 252v bis 30211 das commune sanc- 
torum. 
Bildschmuclc: 
Der reiche Initialschmuck zeigt auch hier die verschiedenen Arten der Zierbuch- 
staben von den einfachen farbigen und den umstrichelten und berankten Majuskeln, den 
Goldinitialen mit teilweiser Farbenfüllung bis hin zu den großen Prunkinitialen, die aus 
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