Gewicht für die weiteren politischen und planerischen Wil-
lensbildungsprozesse erscheint gerade in der nun einsetzen-
den Phase die Entwicklung innerhalb der Kasseler SPD: Hier
befaßten sich einige Mitglieder, vor allem Lehrer, mit Per-
spektiven der Entwicklung der Bildungspolitik in Nordhes-
sen. Von besonderem Einfluß waren hier die späteren GhK-
Professoren Stefan Freiger und Herbert Schäfer. Stefan
Freiger, damals Mitglied des Unterbezirksvorstandes Kassel
Stadt und GEW-Kreisvorsitzender, legte am 11. Dezember
1969 im Namen der SPD Kassel einen „Plan zur Entwick-
lung einer Reform-Gesamthochschule in Kassel" vor. Er
berief sich dabei auf die Beschlüsse der SPD-Bezirkspartei-
tage Hessen-Nord, auf die Vorschläge zur Reform der Hoch-
schulen des SPD-Bundesvorstandes, den Entwurf zur Ent-
wicklung eines Gesamthochschulsystems in Kassel, der von
Wolfgang Becker, Walter Heilwagen (stellvertretender Frak-
tionsvorsitzender der SPD-Stadtverordnetenfraktion) und
Heise ausgearbeitet worden war, und auf die Denkschrift zur
Gründung einer Gesamthochschule Kassel vom Vorsitzen-
den der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Lehrer
Hessen-Nord, Fritz Holzgrabe. Die Ausarbeitung von Frei-
ger diente dem vorn SPD-Vorstand eingesetzten Ausschuß
„Gesamthochschule Kassel" als Grundlage für seine weitere
Arbeit und fand Eingang in eine Entschließung des Unter-
bezirksparteitages der SPD Kassel Stadt vom 12._]anuar 1970.
Deutlich tritt der emanzipatorische und partizipatorische
Charakter des Papiers hervor: Eine Hochschulgründung in
Kassel, heißt es dort, müsse darauf verzichten, zu den beste-
henden traditionellen Hochschulen in direkte Konkurrenz
zu treten. Vielmehr müsse eine integrierte Gesamthochschule
entsprechend deniHochschulreformvorschlägen des SPD-
Bundesvorstandes errichtet werden. Die Kasseler Gründung
könne eventuell auch als Versuchsmodell, ähnlich der Rege-
lung für integrierte Gesamtschulen, erfolgen. So böte sich die
Möglichkeit, das Reformmodell einer Gesamthochschule ent-
sprechend den SPD-Vorstellungen rasch zu verwirklichen.
Die Entwicklung einer Gesamthochschule in Kassel erfor-
dere von Beginn an die Einführung von drittel- oder halb-
paritätischen Gremien auf allen Ebenen der Hochschul-
selbstverwaltung, um eine demokratische Willensbildung der
Lehrenden und Planenden zu gewährleisten.
Gründungs-Perspektiven
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