Geschvicixen eines GhK-"Studenten aus
Qbervhessen l
Unsichere Zeiten
Meine gute alte Großmutter zufrieden-zustellen, ist gar nicht
so einfach. Gebeten und gebettelt hat sie-aich, ihr Lieblings-
enkel, soll doch die sichere Beamtenarbeit der Briefpost
behalten. Ich habe es nicht getan. Hier in Kassel habe ich
statt dessen angefangen, „Freie Kunst" zu studieren. Seitdem
denkt Großmutter aus unerfindlichen Gründen, ich würde
Kunstlehrer werdenmS-ie ist nicht abzubringen von. dieser
fixen Idee. Sie selbstiist- oder, besser gesagt," war ihr-i-"i-iganzes
Leben lang Bäuerin. Auf ihre ständigen brief liehen Anfra-
gen hin „Was machst du dennJunge P" und „Wie soll es denn
weitergehen, wann bist du endlich Lehrer P" schreibe ich ihr
jedesmal klar; und deutlich: „Großmutter, ich werde kein
Lehrer", ich stfudiere „Freie Kunst". Ich werde Künstler! l" Ich
schicke die neuesten experimentalen Videos und erzähle
ihr Vonietwaigen Terminen für eine größere Performance
und sogar eine Vernissage. Sie ist nicht zufrieden damit.
Immerhin aber wartet sie bei ihren alteingesessenen Freun-
dinnen im orf damit auf, habe ich gehört, daß ihr Enkel-
kind richtige „Gemäldeausstellungen". in der Stadt veran-
staltet. Seitidem meine Freundin ein Baby erwartet, sind
endgültig bei meiner Großmutter alle Dämme gebrochen. In
immer kürzeren Abständen erhalte ich immer eindringliclrere
und drohendere Briefe von ihr. In sie sterbe, gipfelt der bis-
her letzte: „Au-f der Stelle sterbe ich, wenn Du nicht schleu-
nigst in diesen ünsicheren Zeiten und schon "alleine wegenl
dem Baby endlich Kunstlehrer wirst, wenn Du schon kein
Postbeamter bist!"
Nun ja. Eines weiß meine liebe alte Großmutter noch
nicht. Seit letzter Woche entleere ich neben meinem ,Kunst'-
Studium wieder Briefkästen für die Post. Halbtags.
Ob sie das wohl einiwiziiig entschädigt?
Studium Salto mortale
Warum das Leben nicht wie die Abiturprüfungen war, weiß
ich nicht. Ich bestand: sie mit 1,3 und schrieb mich an der
VÄGhK in Architektur-"eiifliiißßund traf auf der, Erstsemesterfete
Anett: Groß, brünett, selbstsicher. as war von Anfang an
klar: Anett und ich würden alt zusammen. "Ein „Oder" gab
es gar nicht- Ich verursachte scheinbar genau dasselbe bei
ihr, Sz-ofort waren wir ineinander verliebt: Unsterblich. Banal.