Ein Grundzug der Kasseler Lehrerausbildung besteht also
darin, daß sie klar auf das angestrebte Berufsfeld angelegt ist
und mit der Professionalisierung der Ausbildung vom ersten
Semester an Ernst macht; ein anderer darin, daß sie die Ein-
heitlichkeit der Lehrerausbildung zumindest partiell verwirk-
licht. Ähnlich wie die gestuften Studiengänge versucht auch
sie, zwei in Deutschland lange Zeit scharf voneinander unter-
schiedene und institutionell getrennte Ausbildungstraditio-
nen zusammenzuführen, nämlich die stark praxisorientierte
Ausbildung von Volks- und Realschullehrern, die früher an
eigenen Einrichtungen (Lehrerseminaren, dann Pädagogi-
schen Hochschulen) erfolgte, und die wissenschaftsbezogene
Ausbildung von Gymnasiallehrern, die schon seit dem frühen
19. Jahrhundert Aufgabe der Universitäten ist. Ihren Aus-
gangspunkt nahm sie von pädagogischen und bildungspoli-
tischen Reformgedanken, die zum Teil bis weit ins l9._]ahr-
hundert zurückreichen und ebenfalls Ende der sechziger und
Anfang der siebzigerjahre in der damaligen Bundesrepublik
weit verbreitet und politisch weithin akzeptiert waren.
Doch auch dieser Konsens hielt nicht lange; schon Mitte
der siebzigerjahre ging er wie derjenige über die integrierte
Gesamthochschule wieder verloren. Manches Reformziel,
das am Beginn der Lehrerausbildung an der GhK stand,
wurde deshalb nie erreicht, z.B. eine einheitliche Regelstu-
dienzeit für alle Lehramtsstudiengänge. Andere, die zunächst
erreicht wurden, mußten im Laufe der Zeit wieder aufgege-
ben werden, hauptsächlich aufgrund externen Drucks -
steriellen Auflagen, Vereinheitlichungstendenzen auf Lan-
des- und Bundesebene und schließlich Versuchen, wegen der
seit Ende der siebzigerjahre anhaltend schlechten Perspek-
tiven auf dem Lehrerarbeitsmarkt größere Durchlässigkeit
zwischen Lehramts- und Diplom- oder Magister-Studi-
engängen (wieder)herzustellen. So wurden die Kasseler
Abschlüsse vom anfänglichen Bezug auf Schulstufen auf
Schulformen umgestellt, der Umfang des Kernstudiums
zugunsten der fachwissenschaftlichen Ausbildung reduziert,
besonders in den Studiengängen für die Sekundarstufe II.
Überdies führte der starke Rückgang der Studienanfänger-
zahlen in den achtziger Jahren zur Reduktion der Ausbil-
dungskapazität in der Erziehungswissenschaft und ihren
Nachbargebieten sowie in den Fachdidaktiken, vor allem
257
Studium und Forschung