daß der Alltag der Reform Tücken hat. Die Abschaffung der
Fachdisziplinen als einem integrierten Korpus, der auch kul-
tur- und milieubildend wirken kann, die weitgehende Auf-
lösung des traditionellen Sozialsystems der Wissenschaft und
ihrer sozialräumlichen Organisation läßt generell die Erfah-
rung von Grenzen prekär werden. Und im Unterschied zu
den latenten Modernisierungsprozessen, die ja auch in ande-
ren Universitäten spürbar sind, wird diese Auflösung direkt
visuell sichtbar.
In solche Grenzen hineinsozialisiert, kommt vielleicht
manchem - und nicht nur mir - die Idee, daß etwas fehlt.
Allmählich mit der Topographie des Standortes vertraut, irrt
man zwar nicht mehr durch ein undurchschaubares Gang-
labyrinth und hat auch das Problem der Bibliotheksbenut-
zung irgendwie gelöst - und dennoch bleibt da etwas. Ich
erinnere mich an das manchmal durchaus lästige Ritual des
Oberseminars im Institut für Soziologie in Erlangen, in dem
regelmäßig dienstags in immer dem gleichen Raum und zu
immer der gleichen Zeit über Jahre hinweg alle Lehrenden
des Instituts mit den Doktorand(inn)en und fortgeschritte-
nen Student(inn)en zusammenkamen, um einen Gastvortag
zu hören, einen Bericht aus einem Forschungsprojekt zu dis-
kutieren, Dissertationsergebnisse und Habilitationsentwürfe
vorzustellen etc. Die Heterogenität in Fragestellung und para-
digmatischer Orientierung war sehr groß, das präsentierte
Material bzw. der Vortrag mitunter hochkonkret auf einzelne
gesellschaftliche Problembereiche bezogen. Verbunden war
diese Vielfalt zum einen durch die Institution „Institut" und
zum anderen durch eine erkenntnisorientierte Debatte, i.e.
wissenschaftsimmanente, fachdisziplinäre und gleichzeitig
den prinzipiellen Universalisierungsanspruch wissenschaft-
licher Theorieentwicklung einfordernde Perspektiven.
Nicht, daß es an der GhK weniger Veranstaltungen gäbe.
Im Gegenteil, - die Flut von spannenden und interessanten
Veranstaltungen, die von Fachbereichen, Studiengängen,
Interdisziplinären Arbeitsgruppen, Wissenschaftlichen Zen-
tren, informellen Zusammenschlüssen, Interessenvertretun-
gen etc. ausgeht, ist so groß, daß sie nur mit strikter Selek-
tion zu bewältigen ist. In diesen Kontexten scheinen sich auch
am ehesten Elemente von Milieus herauszubilden-Inseln
sozusagen, die den Selektionszwang abmildern. Solche