Um die Jahrhundertwende wurde auch eine gewerbliche Fortbildungsschule gegrün-
det, die 1912 um eine kaufmännische Fachabteilung erweitert wurde. Im Raum Fritz-
lar-Homberg nimmt das berufliche Schulwesen einen besonderen Stellenwert ein. An
dieser Stelle ist anzumerken, daß Gudensberg bereits 1826 eine private Handwerks-
schule vorzuweisen hatte, die 1832 öffentlich anerkannt war und noch 1859 bestand.
Als 1919 gemäß der Weimarer Verfassung die Grundschule eingeführt wurde, verla-
gerte sich die Schulaufsicht von der Kirche auf den Staat. Die ehemals von vielen
Reformpädagogen geforderte Einheitsschule - eine Schule ohne soziale und konfes-
sionelle Trennung - wurde letztlich erst im Konzept der Gesamtschule (70er Jahre)
fortgeführt. Die reformpädagogischen Bestrebungen und die Demokratisierung der
Gesellschaft trugen auch ihre Früchte im Gudensberger Schulsystem: So existierte
hier auch bald eine vierjährige Grundschule und ein differenzierter Volksschulunter-
richt.
Ein schwerwiegender Rückschlag für die humanitäre Bildung war die Zeit des
FaschismusÄ An den deutschen Schulen herrschte nun ein_e Erziehung, die den abso-
luten Führergehorsam verlangte. Bis dahin bestehende Werte der Erziehung wichen
einem nationalen Fanatismus, einem Rassen- und Völkerhaß, der nur ein Ziel ver-
folgte: einen neuen deutschen Menschen zu formen.
Auch die Gudensberger Schulen beugten sich diesem neuen Denken, was aus zahlrei-
chen Eintragungen der Schulchronik, wie Gedenkfeiern anläßlich der Reichsgrün-
dung, Gedenkstunden zum Geburtstag Adolf Hitlers, Lehrgänge für Rassenkunde
und Sippenforschung, hervorgeht. Die jüdischen Kinder mußten in der letzten Bank
sitzen, und die anderen Schüler durften nicht mit ihnen sprechen.
Lehrermangel und Lehrerwechsel kennzeichneten die Schulen während des II. Welt-
krieges. Die Klassen waren überfüllt und die Schüler mußten Altmaterial, Knochen
und Wildfrüchte sammeln. Aufgrund des häufigen Fliegeralarms konnte der Unter-
richt von 1943 bis Kriegsende nur sporadisch durchgeführt werden. Von Dezember
'44 bis April '45 diente das Schulgebäude sogar Kriegszwecken. In dieser Zeit wurde
für jede Klasse täglich nur eine Stunde Unterricht in der alten Schule erteilt.
Als die Amerikaner in Gudensberg Einzug hielten, hörte der Unterricht zunächst
ganz auf. Das Schulgebäude wurde nun als Lager genutzt und nach dem Abzug der
Amerikaner am 15. April 1945 von den Belgiern belegt. Dabei wurden Einrichtungs-
gegenstände massiv in Mitleidenschaft gezogen oder verschwanden gänzlich, wie bei-
spielsweise die Schulgeige, das Rundfunk- und das Schulfilmgerät. Die Schulbücherei
war derart zerstört, daß es Jahre dauern sollte, bis man eine neue einrichten konnte.
Nachdem das Schulgebäude schließlich wieder hergerichtet war, konnte der Unter-
richt am 15. Oktober 1945 beginnen.