Full text: Gesamthochschule Kassel 1971 - 1981

Interessant an den zwei Jahren AStA-Politik des DLB ist, daß sich das 
politische Selbstverständnis dieser Gruppe stark änderte. Während zu 
Beginn der DLB eher geneigt war, die sozialdemokratische Reformvor- 
stellung in einer recht naiven Einschätzung zu unterstützen, und jegli- 
che theoretische Diskussion fehlte (Anzeichen hierfür war die Einbin- 
dung in Gremien, wobei versucht wurde, allein mit formalen Geschäfts- 
ordnungstricks Politik zu machen), kam am Schluß ein DLB heraus, der 
sich an der theoretischen Diskussion im SB (Sozialistisches Büro) orien- 
tierte und damit in seinen Auseinandersetzungen mit anderen Gruppen 
argumentierte und eine basisorientierte Konzeption in der Mehrheit als 
politische Perspektive vertrat. Eine Ursache für diesen Wandel - und 
dies ist eine unserer Thesen - ist die Entwicklung, die das Modell der 
integrierten Gesamthochschule in dieser Zeit erfahren hat. Zu Beginn 
des WS l973[74 konnte man als Student noch die berechtigte Hoffnung ha- 
ben, daß sich von den ursprünglich intendierten Zielen des Gesamthoch- 
schulmodells etwas verwirklichen könnte. Es galt, die formulierten Zie- 
le für die GhK an der Realität zu überprüfen 5, also zu sehen, inwie- 
weit sie verwirklicht wurden. Doch was in den nachfolgenden zwei Jah- 
ren geschah, ist ein permanentes Zurückgehen durch kultusministeriel- 
le Erlasse bezüglich der einstigen Zielsetzung, was schließlich nur 
noch mit einer ohnmächtigen Wut kommentiert werden konnte. Auch das 
allgemeinpolitische Klima in dieser Zeit war geprägt von den ersten 
"roll-back"-Versuchen. Deutlich ist dies in den konkreten politischen 
Aktionen des DLB abzulesen, die in der ersten Linie Abwehrkämpfe wa- 
ren und der Versuch, gegen eine erwartbare und angekündigte Ver- 
schlechterung der studentischen Studiensituation durch eine Mobilisie- 
rung der Studenten aktiv zu intervenieren. 6 Die durchgeführten Aktionen 
mußten sich bei einer Gruppe wie dem DLB, die keine so festgefahrene 
Realitätswahrnehmung hatte wie die dogmatischen Gruppen des MSB 
oder KSB, auf ihr politisches Bewußtsein auswirken. In einem späteren 
AStA-Info wird zu den Reformen schon wesentlich differenzierter ge- 4 
schrieben: "Da die Reformschritte kapitalistischen Systems einerseits 
eine systemstabilisierende, den Grundwiderspruch verschleiernde Funk- 
tion ausüben, sich aber andererseits Möglichkeiten der Verselbständi- 
gung der einmal notwendig gewordenen Reformprozesse ergeben, muß 
der Charakter von Reformen zweifellos als ambivalent eingeschätzt wer- 
den. Unter der Zielsetzung der Systemüberwindung müssen Reformen in- 
sofern unterstützt werden, als durch die auf Bewußtseinsbildung ausge- 
richtete Verarbeitung der Ergebnisse und die Initiierung weiterer auf 
Bewußtseinsbildung abzielender Reformen Arbeitsansätze mit system- 
überwindenden Charakter geschaffen werden können". 7 
Auf die konkrete politische Praxis bezogen bedeutete dies für den DLB, 
durch eine starke Mobilisierung an der studentischen Basis die Grund- 
lage für ein gemeinsames Vorgehen zu schaffen gegen staatliche politi- 
sche Bevormundung und inhaltliche Reglementierung des Studiums. So 
schrieb der DLB in seinem wohl letzten Info zu den Studentenparlaments-
	        

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