GESCHICHTE
Fünf Sinne aus dem Kabinett der Landgräfin (siehe daselbst) und die kostbaren frühen Meißener Vasen
mit dem Hessischen Wappen im südlichen Eckkabinet des Obergeschosses (siehe daselbst) und auch die
drei Berliner Gruppen dort nachweisbar. Noch im Laufe desselben Jahres scheinen sie nach Wilhelmstal über:
führt worden zu sein} Die beiden Tafelaufsätze in dem Vorzimmer der Landgräfin (siehe daselbst) waren
noch 1822 im Schlosse in Hanau.
Am 29. Juni 1807 ist der Bestand des ältesten Inventars nochmals bestätigt? und da im Januar 1814 eine neue
Bestandaufnahme stattgefunden hat, sind die von Jeröme vorgenommenen Veränderungen mit Sicherheit zu
ermitteln. Abgesehen von den eisernen Ofen mit Aufsatz von gebranntem Ton,die er in vielen Zimmern einbauen
ließ, den Glaskronen in den beiden Sälen, den Supraporten im südlichen Schlafzimmer des Obergeschosses,
treten wesentliche Veränderungen im Inventar nicht in Erscheinung. Nur der Einbau einer geheimen Treppe
vom südlichen Schlafzimmer des Erdgeschosses (siehe daselbst) zum Obergeschoß und die von ihm eins
gebrachte, aber 1822 wieder entfernte Empiretapete scheint die von der Tradition übermittelte Nachricht
zu stützen, daß der König dieses Zimmer bewohnt hat. Sehr bald aber scheint er den Gedanken, in Wilhelmstal
zu wohnen, ganz aufgegeben zu haben, denn im Januar 1814 sind die Räume bis auf das Schlafzimmer des Lands
grafen, das unter der Fremdherrschaft unbewohnt geblieben war, ohne Betten? Das Vorzimmer der Landgräfin
(siehe daselbst) ist als Billardzimmer eingerichtet, und eine große Zahl von Spieltischen im Musensaal und
im zugehörigen Vorsaal geben über die Verwendungsart dieser RäumeAufschluß. Der Lage des Schlaf:
zimmers von Jeröme entsprechend wird das seiner Gemahlin nicht in dem Schlafzimmer der Landgräfin,
sondern in dem südlichen Schlafzimmer des Obergeschosses (siehe daselbst) zu suchen sein, zu welchem
die geheime Treppenverbindung hergestellt war und das außerdem wie das Schlafzimmer des Königs mit
einer Empiredekoration versehen war.4
Erst der Entschluß des Kurfürsten Wilhelms II., den Ersten Flügel von Wilhelmshöhe, im besonderen
die Räume der Gräfin von Reichenbach neu einzurichten, hat auch für Wilhelmstal im Jahre 1822 größere
Veränderungen zur Folge gehabt. Ein großer Teil der kostbaren Damasttapeten mit den zugehörigen Möbeln,
die in den Jahren 1789-90 für die damalige erste landgräfliche Wohnung im Schloß Weißenstein unter Auf:
wendung großer Mittel beschafft waren, wurden dahin überführt? Zu den überführten Möbeln gehören
auch die reichen Betten in den Räumen des Corps de Logis, die wie auch die Sitzmöbel nicht in Paris,
wie vielfach angenommen worden ist, sondern in Cassel gearbeitet worden sind. Wahrscheinlich sind sie
vom Hofbildhauer Nikolaus Valloisö geschaffen, der, wie wohl angenommen werden kann, identisch ist
mit dem wZierbildhauercc (sculpteur ornemaniste) gleichen Namens, der im Anfang der achtziger Jahre für
den Pariser Ebenisten Jean Baptiste Claude Sene an den prächtigen Möbeln im Schloss von St. Cloud
1 Scherer, Die Porzellansammlung des Schlosses Xvilhelmstal bei Cassel, Zts. d. Ver. f. Hess. Gesch. u. Landeskunde, Bd. XVII, S. 447,
erwähnt ein Möbelinventar des Schlosses aus dem Jahre 1823, in welchem die Porzellane aufgeführt sein sollen. Dieses Inventar
ist im Staatsarchiv leider nicht aufzufinden gewesen. Die drei großen Biskuitgruppen sind nach mündlicher Mitteilung des
Kastellans Steindecker in der Mitte der 80er Jahre von Wabern gekommen.
2 Durch Unterschrift des Lichtkämmerers Kellner. S. Inventar von 1788.
3 Es liegt die Annahme nahe, daß die Betten nach dem Brande des Landgrafenschlosses in Cassel zur Einrichtung des Bellevue:
schlosses benutzt worden sind.
41nventar von 1814.
5 Im März 1722 berichtet der Burggraf Leise an das Hofmarschallamt: vVon den hier vorhanden gewesenen Meublen sind einige
Fuder nach Cassel, dagegen aber andere an deren Stelle von Vlilhelmshöhe aus hierher gefahren worden. Das Anfahren anderer
Meublen dauert bis jetzt noch täglich fort s: (Mbg. Staatsarch., Oberhofmarschallamtsdäepositur. Akta, das Schloß NVilhelmstal be-
treffend 1814-1825.)
6 Hofbildhauer in Cassel, Lehrer an der Akademie. Am 1. 5. 1784 wird von den Erben des Tischlermeisters Schweinebraten Klage
beim Hofgericht erhoben gegen den wI-Iofbildhauer Vallois hierselbstsr, weil er sich weigert, wfür Schreiner Arbeiter, die er wbey
dem verstorbenen Schreiner Mstr. Sch. und nachher bey dessen hinterlassenen Wittibm erhalten, den Betrag von 41 Rthlr. 14 Alb.
zu entrichten. Er muß sich also damals schon längere Zeit in Cassel aufgehalten haben. Seine erste Frau ist im Juli 1785 und
er selbst, nachdem er im Februar 1786 mit Agnese, Catharina, Sophie, geb. Carl, eine neue Ehe eingegangen war, mit einem
Alter von 46Jahren Ende d. J. 1790 gestorben. Ab 1784 erscheint er im Hofkalender. In den Baurechnungen zum ersten Flügel des
Weißensteiner Schlosses wird er mehrfach genannt, so in einer Aufstellung vom 25. 7. 1789 mit dem Betrage von 510 Rthlr. 16 Alb.
wfür Bildhauerarbeitß, vom 15. 1. 1790 mit 733 Rthlr. 2 Alb. 4 I-Ilr. und vom 17. 12. 1790 mit 1127 Rthlr. wfür verfertigte Meublesß.
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