SCHLOSS
Wenn angenommen werden kann, daß das geschnitzte Holzwerk der Sitzmöbel im allgemeinen unter
der Leitung Nahls von den Bauhandwerkern angefertigt ist} so ist eine Anzahl von kostbaren Kommoden
direkt aus Paris bezogen. Vorzugsweise ist die Garnitur in schwarzer Lackarbeit, zwei Kommoden, zwei
Schreibkommoden und eine Toilette, aus der Werkstatt von M. Criard zu nennen, die in dem Südappartement
des Erdgeschosses (s. das.) aufgestellt wurde, sowie zwei zugehörige Eckkommoden von demselben Ebenisten,
die zu gleicher Zeit in das zweite Vorzimmer des Landgrafen kamen. Hervorzuheben ist ferner die überaus
kostbare Schreibkommode mit Birken: und Eschenholzfurnier und die wenn auch überladene, so doch einzig:
artige Pfauenfedernkommode aus dem Kabinett der Landgräfin (siehe daselbst). Eine weitere Serie von Stücken,
wovon zwei Spiegelschränke und eine Schreibkommode, jetzt in der Schlafkammer des Landgrafen (s. das.) unter,
gebracht, sind in den sechziger Jahren von Couleru aus Montbeliard wahrscheinlich für das Landgrafenschloß in
Cassel bezogen und nachträglich nach Wilhelmstal überführt. Sonst hat sich Genaueres über die Herkunft der
Möbel nicht ermitteln lassen. Es sei allerdings vermerkt, daß YVilhelm VIII. bereits 1752 vom Hofgoldschmied
Girost aus Paris eine Kommode mit Marmorplatte bezieht} für die er 665 Rthlr. zahlt, und daß Friedrich II.
1769 für zwei wLackkommoden in S" Cabinetw aus Paris 492 Rthlr. ausgegeben hat." Die erstere könnte
identisch sein mit der silberbelegten Kommode aus dem Kabinett des Landgrafen (jetzt im Kabinett der
Landgräfin). Für die beiden letzteren kämen möglicherweise die beiden Kommoden in Frage, die ebenfalls
nachträglich nach Wilhelmstal gekommen und jetzt in der Südgarderobe des Erdgeschosses untergebracht
sind. Daneben sind 1768-69 Tische von wMahanee Holzw und ein lackierter Tisch in Braunschweigs
und 1769 durch den Geheimen Kriegsrat Uckermann Kommoden, Tische und Uhren in England gekauft."
Ob diese Stücke aber in Wilhelmstal aufgestellt sind, ist hier sowohl wie bei den Arbeiten einheimischer
Kräfte, den Meistern Johannnes Ruhl, Handwerck und D'Jehan,3 nicht zu ermitteln gewesen. '
Wenn auch kaum damit gerechnet werden kann, daß die zahlreichen Porzellane ursprünglich für
Wilhelmstal beschafft worden sind? so bilden sie doch heute einen wesentlichen Bestandteil der Ausstattung.
Schon Wfilhelm VIII. hat für Porzellane lebhaftes Interesse gezeigt. Einem Bedienten des Herrn v. Alphen
aus Hanau, der ihm wPorcelainem überbracht hat, läßt er am 4. Januar 1752 20 Rthlr. überweisen." Auch
der Maler Freeseß der für den Landgrafen die Bilderkäufe in Holland besorgte, hat für ihn dort mehrfach
Porzellane, vorzugsweise ostasiatische, erworben." Große Summen hat Friedrich II. für Porzellane aus-
gegeben}; die wahrscheinlich zum größten Teil für das Porzellangewölbe im Bellevueschloß bestimmt waren.
Für diese hat Johannes Ruhl im Jahre 1773 die üblichen Pyramidentische geliefertf Da die Meißener Fabrik
1772 in Cassel eine Verkaufsstelle errichtet hatte} ist es natürlich, daß das Fabrikat dieser Fabrik über-
wiegt, doch wird die Gotzkowskysche Fabrik sowohl wie die Fürstenberger mehrfach mit großen Sendungen
erwähnt, in einem Falle auch die von Höchst (Mainzer Fabrik). Erst später sind die Porzellane auf die
Schlösser verteilt worden, wobei Wilhelmshöhe besonders berücksichtigt wurde. Jedenfalls sind 1822 die
1 Lebenswerk J. A. Nahls (s. ob. S. 12).
2 S. Anh. Rechnungsbelege. Im August 1748 wird S L. Du Ry angewiesen, dem Goldschmied Girost eine Tabatiere des Prinzen zur
Reparatur zu übergeben. J. P. Du Ry fragt am 16. 9. 1748 bei ihrem Bruder an, ob er sich von Girost eine Quittung hat aus-
stellen lassen und ob dieser ihm nicht erzählt hat, daß er sich erinnert, mit ihrem Vater in Ameliental gewesen zu sein. Girost
scheint sich also vorübergehend in Cassel aufgehalten zu haben 1752 hat der Landgraf von ihm eine goldene Tabatiere wemailleret
en Figuresß für 581 Reichstaler bezogen, die er an den General Watt geschenkt hat.
3 S. Anh. Rechnungsbelege.
4 S. Anh. Rechnungsbelege. Hieronymus von Alphen ist der Besitzer der Hanauer Fayencefabrik in ihrer dritten Periode (1740-86).
dem sie ihre eigentliche Blüte verdankt. Wilhelm VIII. hat der Fabrik großes Interesse entgegengebracht und u. a. 1757 auch
einen Ofen daher bezogen. (Zeh, Hanauer Fayence, S. l51ff.)
5 Johann Georg van Freese (Friese) Landgräflicher Hofmaler und Galerieinspektor in Cassel unter Vfilhelm VIII. und Friedrich II.
Von Geburt Holländer, gest. 1775. Fertigte vorzugsweise Kopien alter Meister. (HoEmeistenPrior. Künstler und Kunsthandwerker
in Hessen.)
6 S. Anh. Rechnungsbelege. Leider enthalten diese Kaufberichte und Rechnungen selten nähere Angaben über die Stücke. Soweit
Angaben gemacht sind, die zur Identifizierung dienen könnten, sind sie im Anhang zusammengestellt.
" S. Anh. Rechnungsbelege.
8 Berling, Die Königlich Sächsische PorzellansManufaktur Meißen, S. 71.
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