GESCHICHTE
Rufe nach Cassel. Diese Verhältnisse sind an anderer Stellel eingehend besprochen. Natürlich ist Nahl
kein Techniker, und dieser Umstand erklärt es, daß Simon Louis Du Ry nach seiner Rückkehr aus Italien
an Stelle Huths mit der technischen Oberleitung beauftragt wird. In den Jahren 1757 und 1758 erhält er ein
besonderes Traktament wegen Wilhelmstaler Verrichtungen? Auch ist er in den späteren Jahren als baue
leitender Architekt feststellbar. Im Augenblick seiner Rückkehr aus Italien aber ist das Erdgeschoß fertig.
und der Ausbau des Obergeschosses ist in Angriff genommen. Werden wir ihm selbst und seinem Lehrer
Blondel daher den grundlegenden Entwurf des rein Architektonischen zuerkennen müssen, so bleibt doch
dem Artillerieoberst Huth der überwiegende Teil der Bauausführung und dem Bildhauer Joh. August Nahl
die dekorative Ausgestaltung der Räume.
Mit Beginn des Siebenjährigen Krieges hatte VVilhelm VIII. sein Land verlassen. Cassel war vom Feinde
besetzt. Wenn auch Du Ry bemüht gewesen ist, die Bauarbeiten trotz aller Belästigungen der feindlichen
Truppen und trotz Abwesenheit des Landesherrn zu fördern, so haben sie doch wiederholt längere Unter:
brechungen erleiden müssen, und als er nach demTode seines hochbetagtenVaters Friedrich II. am 17. Februar 1760,
von Magdeburg kommend, in Wilhelmstal Station machte, um im großen Saale des Obergeschosses zum
erstenmal seine I-lofbeamten zu versammeln, war dieser noch unvollendet. Zwar hatte er die Fortsetzung
der Arbeiten sofort in Angriff nehmen lassen und befohlen, die alten Wirtschaftsgebäude wqui offusquoient
la vue du Chateau du cote de la Cour . . .4: niederzureißenß Wenige Monate später aber hatte er sein
Land vor dem anrückenden Feinde wiederum verlassen, und Du Ry rät in einem Schreiben vom 28. Juli 1760
dringend, die Möbel abermals aus den Räumen des Schlosses zu entfernen und sie im Magazin der Mansarde
vor den Zugriffen der feindlichen Offiziere zu bewahrenß Zugleich meldet er, daß mit dem Abbruch der alten
Wirtschaftsgebäude fortgefahren wird, und daß sogar eine der Scheunen und einige der Ställe hinter dem
Pächterhause bereits wieder aufgebaut sind. vLes traveaux du chäteau avancent et les ouvriers ne les quitteront
point a moins que les ennemis ne les en chassentß Am 18. Dezember 1760 kann er an den Geheimen Kriegsrat
Du Rosey berichten, daß die gewölbten Bögen (Cintres) der großen Fenster und der beiden Nischen im
wSaloner, an welchen der Stuckateur Brühl im Frühjahr angefangen hatte zu arbeiten, während des Sommers
im Stillen (sourdernent) vollendet sind. Am 30. April 1761 teilt er mit, daß der Vergoldet (Doreur) das Legen
des Kreidegrundes (fond du Craye) auf der Boiserie fast beendet hat und daß er, sobald dieser Handwerker
seine Arbeit vollendet hat, hier sowohl wie im Vorsaal das Parkett legen lassen wird, das seit langer Zeit bereit
liegt. wll sera d'ailleurs autant d'ouvrage de faire lorsque nous aurons le bonheur de revoir S. A. S. Je
vous prie Monsieur de me marquer si j'ose continuer de faire travailler sourdernent a achever le bel etage
en attendant que la paix qui j'espere qui se fera bientöt et la presence de Monseigneur le Landgrave nous
mette en etat de pousser les traveaux avec plus de vivaciteß Die Kabinettsrechnungen der nächsten Jahre
enthalten beträchtliche Summen und zwar in den Jahren:
1760 11267 Rthlr. 36 Alb. 9 H.
1761 6019 a: 17 n 3 zu
1762 3463 a) 13
1763 7105 n 21
1764 5260 n 10
Leider sind Einzelheiten nur ausnahmsweise angegeben. Auch ist nicht anzunehmen, daß diese Summen
alle Ausgaben umfassen, denn mit der Schlacht bei Wilhelmstal (ZiJuni 1762) war Cassel vom Feinde befreit?
1 Der Druck einer Arbeit des Verfassers über das Lebenswerk Johann August Nahls befindet sich in Vorbereitung. Da die Klärung
dieser Frage ein weiteres Ausgreifen erforderlich machen würde, muß auf die Spezialarbeit, deren Druck sich leider verzögert hat,
verwiesen werden.
2 S. Anh. Rechnungsbelege.
3 Schreiben Du Rys v. 25. 6. 1760. Mbg. Staatsarch. O. St. S. 7396.
4 wnous le fimes il y a 2 et 3 ans et nous nous en trouvämes bien, au lieu qu'ayant neglige cette precaution Fannee passee nous eümes
le desagrement de voir le chäteau continuellement plein d'officiers generaux francois, lesquels sans aucunes egards et sans
s'embarrasser des representations que l'on leur pouvait faire s'y divertissoient come bon leur semblaits (Mbg. Staatsarch.,O. St.S.7396.)
5 Über die Episode, die sich nach der Schlacht im Speisesaale des Schlosses abgespielt haben soll, s. Landau, Beschr. d. Kurf. Hessen,
S. 186, und Brunner a. a. O., S. XXVII.
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